Auf dem G7-Gipfel geht es um die großen Krisen - vom Ukraine-Krieg über Hungersnöte bis hin zur Erderwärmung. So groß wie die Probleme sind, sind auch die Erwartungen an das Treffen der Staats- und Regierungschefs im bayerischen Elmau. Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien gehören zur G7-Gruppe. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will teilnehmen, eingeladen sind auch Indien, Südafrika, Senegal, Indonesien und Argentinien.

Die Bedeutung des Gipfels

Mit dem Angriff auf die Ukraine hat sich Russland international ein Stück weit isoliert. Das erschwert die Zusammenarbeit nicht nur bei den Vereinten Nationen. Umso wichtiger werden die G7 - der Gipfel könnte entscheidende Leitplanken setzen für den G20-Gipfel und die nächste UN-Klimakonferenz, die beide im November stattfinden.

"Die G7 sind vielleicht das einzige multilaterale, überregionale Forum, dass mit dem Krieg in der Ukraine handlungsfähig bleibt", sagt Friederike Meister, Deutschlanddirektorin von Global Citizen, einer Organisation, die sich gegen extreme Armut engagiert. "Deswegen kommt den G7 dieses Jahr eine besondere Bedeutung zu, auch als Zusammenschluss der wichtigsten Geberstaaten."

Anders als die großen internationalen Klimakonferenzen sind die G7 "ein relativ überschaubares Format, in dem sich natürlich die wirtschaftlich bedeutsamsten, damit aber auch viele der emissionsstärksten Länder versammeln", sagt auch der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer. "Das macht die G7 zu einem guten Ort für mutige Entscheidungen zu mehr Klimaschutz: Weil sie es können, und weil diese Entscheidung global ausstrahlt."

Die Ernährungskrise

Lange hatte die Weltgemeinschaft Fortschritte gemacht bei der Bekämpfung des Hungers. Doch haben Klimakrise, Corona-Pandemie und Konflikte verheerende Folgen. 50 Millionen Menschen stehen laut Welternährungsprogramm kurz vor einer Hungersnot. Als katastrophal schätzt die UN-Organisation die Lage in Äthiopien, Nigeria, dem Südsudan, dem Jemen, Afghanistan und Somalia ein. 750.000 Menschen in besonders betroffenen Ländern droht demnach der Hungertod.

Ukraine-Krieg, Corona-Pandemie und Klimaveränderungen, die etwa mit Dürren einhergehen, verschärfen die Lage. Lebensmittelpreise steigen. Ausgerechnet die Ukraine und Russland sind die größten Weizen-Exporteure weltweit, sie decken normalerweise knapp ein Drittel des globalen Bedarfs. Da Russland die ukrainischen Häfen und damit die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Produkten über das Schwarze Meer blockiert, könnten laut den Vereinten Nationen weltweit 1,4 Milliarden Menschen von Nahrungsmittelknappheit betroffen sein.

Forderungen zum Hunger

Das "Bündnis für globale Ernährungssicherheit": Das haben die G7-Entwicklungsminister im Mai gemeinsam mit der Weltbank als Antwort auf die Folgen des Ukraine-Kriegs gestartet. "Völlig unklar ist bislang, wie es konkret agieren wird", bemängelt Fiona Uellendahl von der Entwicklungsorganisation World Vision Deutschland. "Also wie soll die konkrete Umsetzung aussehen, und wie sieht die finanzielle Unterfütterung aus?" Zudem müssten die Zivilgesellschaft und gerade arme Länder dringend eingebunden werden, die schließlich am stärksten betroffen seien von der aktuellen Nahrungsmittelknappheit.

Auch sind mehrere Milliarden US-Dollar an neuem Geld nach Ansicht von Global Citizen kurzfristig zur Bekämpfung der Hungerkrise  bereitzustellen. "Weitere langfristige Investitionen zur Stärkung der weltweiten Ernährungssicherheit müssen folgen", verlangt Meister.

Umbau der Ernährungssysteme: "Soforthilfe allein reicht nicht aus, um diese Krise zu beenden", sagt Uellendahl. "Kleinbäuerinnen und Kleinbauen im globalen Süden müssten viel stärker gefördert werden und sie müssten einen gerechten Marktzugang erhalten." Dies würde auch die Abhängigkeit von großen Exporteuren mindern.

Die Klimakrise

Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen lag laut Weltklimarat zwischen 2010 und 2019 so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Ohne unverzügliche Verringerungen der Emissionen sei das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, nicht mehr zu erreichen. Bereits bis 2026 könnte die Jahres-Durchschnittstemperatur der Welt erstmals die 1,5-Grad-Schwelle überschreiten, warnt die Weltwetterorganisation. Schon jetzt ist die Zahl und Dauer von Dürreperioden laut UN-Dürrebericht global gesehen seit dem Jahr 2000 um 29 Prozent gestiegen.

Forderungen zum Klima

- Klima-Club: Hier steht deutsche Kanzler Olaf Scholz im Wort. Man wolle den G7-Vorsitz dazu nutzen, die Staatengruppe zum Kern eines internationalen Klima-Clubs zu machen, hatte der SPD-Politiker im Jänner verkündet. Einen "Paradigmenwechsel" solle es geben in der internationalen Klimapolitik: "Indem wir nicht länger auf die Langsamsten und Unambitioniertesten warten, sondern mit gutem Beispiel vorangehen." Klimaschützer sähen diese Worte nun gern mit Leben gefüllt und in konkrete Beschlüsse übersetzt. Idealerweise wären die USA, China und die EU dabei, sagt Klimaökonom Edenhofer - und könnte zum Beispiel einen international abgestimmten CO2-Preis durchsetzen, also eine Abgabe, die den Ausstoß von Treibhausgasen verteuert.

- Geld: Die Industriestaaten haben versprochen, besonders vom Klimawandel betroffene Staaten jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Das solle nun mal passieren, meint Meister von Global Citizen.

- Ausstieg aus fossilen Energien: Greenpeace fordert den Abschied von fossilem Erdgas bis 2035 und von der Kohle bis 2030 sowie 100 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor bis 2035.

Der Einfluss des Ukraine-Krieges 

"Die Sorge besteht, dass entwicklungspolitische Themen weniger Raum erhalten", erklärt Meister von Global Citizen. Doch eine bessere und gerechte Welt entscheide sich nicht nur an der Frage von Krieg oder Frieden. "Wir sehen, wie sehr Hunger auf der Welt mit dem Krieg in der Ukraine und genauso mit der Klimakrise zusammenhängt."

"Große Sorgen bereitet uns die Tendenz mancher Geberländer, Umwidmungen von Nothilfegeldern vorzunehmen, und zwar weg von existierenden Notsituationen wie in Syrien, Afghanistan oder Äthiopien hin zur Ukrainekrise", sagt Marwin Meier von World Vision. "Der Finanzierungsaufruf der Vereinten Nationen für die Ukraine war innerhalb kürzester Zeit mit mehr als 60 Prozent der erbetenen Mittel ein Erfolg im Vergleich zu gerade mal 18 Prozent im Durchschnitt für die anderen Nothilfefinanzierungspläne." Die G7 müssten ihre Hilfszusagen dem Bedarf entsprechend anheben.

Stichwort Klimaschutz: Die Gaspreise ziehen schneller an als die Kohlepreise, sagt Klimaökonom Edenhofer. "Das hat zur Folge, dass die Welt wieder Kohlekraftwerke baut. Das können wir uns mit Blick auf die Klimarisiken nicht leisten."

Stichwort Welternährung: Ukrainische Weizenexporte fallen weg, hinzu kommen Spekulationen mit Nahrungsmitteln, sagt Edenhofer, was Hunger vor allem in Nordafrika auslöse. "Hier sollte ein Ansatz sein, weniger Getreide an Vieh zu verfüttern und mehr für die Menschen zu nutzen, das wäre nachhaltige Landwirtschaftspolitik."