In der Ukraine-Krise zeichnet sich nach Russlands Ankündigung, Truppen im Grenzgebiet nach Ende von Manövern abzuziehen, kein klares Bild ab. Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau ein Militärmanöver auf der Krim beendet. Die Einheiten des südlichen Militärbezirks hätten ihre "taktischen Übungen" auf den Militärbasen der Halbinsel beendet und kehrten nun zu ihren Heimatstandorten zurück, teilte das Ministerium am Mittwoch laut Nachrichtenagenturen mit. Fernsehbilder zeigten Militäreinheiten beim Überqueren einer Brücke, die die Halbinsel mit dem Festland verbindet.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht trotzdem noch keine konkreten Anzeichen einer Deeskalation im ukrainisch-russischen Grenzgebiet. "Bisher haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen. Im Gegenteil: Russland scheint den Militäraufmarsch fortzusetzen", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten. Es bleibe aber dabei, dass die Nato bereit zu Gesprächen mit der Regierung in Moskau sei, sagt Stoltenberg vor Beratungen der Verteidigungsminister der Bündnis-Staaten in Brüssel.

Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs werden am Donnerstag um 12:30 Uhr zusammenkommen, um über die russische Truppenverstärkung an der ukrainischen Grenze zu diskutieren.

Für zusätzliche Besorgnis sorgte ein neuer Hacker-Angriff auf das ukrainische Verteidigungsministerium. Die Attacke dauere den zweiten Tag infolge an, teilte die Regierung in Kiew am Mittwoch mit. Den Hackern sei es gelungen, Schwachstellen im Programmiercode des Internet-Portals zu finden. Der Datenverkehr sei zu Servern der USA umgeleitet worden, während das Problem behoben werde. Die US-Regierung hatte ihre Hilfe angeboten. Das Präsidialamt in Moskau erklärte, Russland habe mit dem Angriff nichts zu tun. Dass die Regierung in Kiew Russland verdächtige, sei allerdings keine Überraschung.

Russischer EU-Botschafter: "Am Mittwoch kein Angriff"

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow hatte zuvor Warnungen der USA vehement zurückgewiesen, wonach möglicherweise am Mittwoch russische Truppen ins Nachbarland Ukraine einmarschieren würden. "Ich kann, soweit es Russland betrifft, versichern, dass es an diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird. Es wird auch in der kommenden Woche keine Eskalation geben, oder in der Woche danach, oder im kommenden Monat", sagte Tschischow der "Welt". Er fügte hinzu: "Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch."

Tschischow verurteilte die alarmierenden Äußerungen über einen möglichen Angriff auf die Ukraine: "Wenn man Anschuldigungen erhebt – insbesondere sehr ernsthafte Anschuldigungen gegenüber Russland – trägt man auch die Verantwortung dafür, Beweise vorzulegen. Ansonsten sind das Verleumdungen. Also, wo sind die Beweise?", fragte er.

Der Westen befürchtet angesichts des massiven Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Die USA hatten als mögliches Invasionsdatum diesen Mittwoch genannt. Am Dienstag hatte Moskau allerdings kurz vor dem Treffen zwischen dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Abzug eines Teils der Truppen von der Grenze angekündigt.

Moskau weist jegliche Angriffspläne zurück und begründete die Truppenmobilisierung im Westen des Landes mit Militärübungen. Zugleich gab der Kreml in den vergangenen Wochen wiederholt an, sich von der Nato bedroht zu fühlen. Präsident Wladimir Putin verlangt daher in einem Forderungskatalog an die Nato und an die USA, dass der Westen juristisch verbindliche Garantien für Russlands Sicherheit ausstellt. Dazu gehören konkret ein Verzicht auf die Aufnahme der Ukraine in die Nato und ein Verzicht auf die Stationierung von Waffensystemen, darunter eine US-Raketenabwehr, vor Russlands Grenzen.

Auch EU-Botschafter Tschischow forderte den Westen erneut auf, die russischen Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen. "Wenn unsere Partner endlich unseren legitimen Bedenken zuhören, wird ein Entspannungsprozess nicht lange auf sich warten lassen. Das wäre im Interesse aller Europäer von Lissabon bis Wladiwostok, aber auch aller anderen Nationen dieser Welt."

Der belarussische Außenminister Wladimir Makej erklärt unterdessen, die russischen Truppen würden nach den gemeinsamen Manövern vollständig in ihre Heimat zurückkehren. Nicht ein russischer Soldat oder auch nur ein Ausrüstungsbestandteil würde in Belarus bleiben. Westliche Staaten hatte die Befürchtung geäußert, russische Truppen könnten von Belarus aus die Ukraine angreifen oder dauerhaft in Belarus bleiben.