"Das Schöne an Europa ist, dass es mehrere Identitäten zulässt, die sich wunderbar übereinander legen lassen und dennoch ein Ganzes ergeben, wie die Scheiben einer Zwiebel." Mit diesen Worten charakterisierte Hubert Patterer die Vielfalt nicht nur des Kontinents, sondern auch des Publizisten Paul Lendvai. "Er ist ein großer Ungar, ein großer Österreicher, ein großer Europäer und ein großer Altausseer", würdigte der Kleine-Zeitung-Chefredakteur als Laudator den Journalisten und Autor Lendvai zur Verleihung des "Europaeus" Freitagabend in Velden am Wörthersee. Mit der hohen Auszeichnung, die bereits an Persönlichkeiten wie Alois Mock, Franz Vranitzky, Heinz Fischer, Hugo Portisch oder Christoph Leitl verliehen worden ist, wurden nun neben Lendvai außerdem auch der ehemalige Präsident der EU-Kommission, Jean-Paul Juncker, sowie der Kärntner Uhrenarmband-Industrielle Hermann Hirsch ausgezeichnet. 

"Er ebnete den Weg zum Euro"

Die Verleihung geriet zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für ein vereintes und zukunftsfähiges Europa. Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn sagte in seiner Laudatio auf den via Videostream zugeschalteten Jean-Claude Juncker, der sich vor allem für den europäischen Förderalismus und ein soziales Europa eingesetzt hatte, dass der Europaeus-Preis für ihn maßgeschneidert sei. Juncker habe als Brückenbauer in die Zukunft und zwischen den Menschen die Geschichte Europas maßgeblich mitgestaltet. Der langjährige Ex-Regierungschef Luxemburgs habe in der Sozialpolitik als "Linkskathole" sowie in der  Finanzpolitik bei der Gestaltung der Maastricht-Verträge große Spuren hinterlassen. "Er ebnete auch den Weg zur Einführung des Euro. Jetzt sind Juncker und der Euro die letzten Überlebenden des Maastricht-Vertrages." Juncker habe gegen große Widerstände durchgesetzt, dass Griechenland beim Euro blieb. US-Präsident Trump habe sich Juncker im Zollstreit mit dem Satz entgegengestellt: "Ich bin die EU." Hahn zum Auditorium: "Sie ehren heute den größten derzeit lebenden Europäer." Juncker dankte "Gio" Hahn herzhaft schmunzelnd "für den verfrühten Nachruf".

Österreichisch-ungarisches Vermächtnis

Hubert Patterer setzte die Auszeichnung von Paul Lendvai, den er mit den einstigen Worten Gerd Bachers als "international bedeutendsten Journalisten Österreichs" bezeichnete, in Kontext mit den Wahlergebnissen vom letzten Sonntag. Lendvai habe nach dem Verlust eines Großteils seiner jüdischen Familie im Holocaust eine zweite Erschütterung erfahren, als er, wie er selbst sagte, als "nützlicher Idiot" den Stalinisten in Ungarn diente und als dann aufbegehrender Journalist im Kerker der Kommunisten landete. "Ich flüchtete nach Ö als ein Mensch, der sich nach den eigenen jugendlichen Irrwegen für die Wahrheit und gegen die Lüge entschied, für die unperfekte Demokratie und gegen den Versuch, den Himmel auf Erden einzurichten", bekannte Lendvai in seinem Kurt Vorhofer gewidmeten Buch "Mein Österreich - 50 Jahre hinter den Kulissen der Nacht" seine, wie Patterer meinte, "Zuneigung zu einem Land mit der Freiheit, sich kritisch zu ihm zu äußern." Als Kolumnist im Standard wende sich der ehemalige Leiter des ORF-Osteuropastudios und der "Europäischen Rundschau" kritisch gegen Fehlentwicklungen, erhebe aber auch verteidigend für Österreich seine Stimme. Seine Liebe zu Ungarn lasse er sich auch von Viktor Orban nicht verderben. Patterer: "Lendvai ist das personifizierte Österreich-Ungarn ganz ohne k.u.k."

„Ich habe Glück im Unglück gehabt“, sagte Lendvai. „Und habe das Glück meiner Frau. Es gibt nichts Besseres, als mit einer geliebten Frau zu streiten. Sie hätte gerne auch eine Frau in der Reihe der Geehrten gesehen.“ Für Kärnten und das Zusammenleben der Volksgruppen sei er dankbar, dass die Probleme nur mehr in den Geschichtsbüchern und nicht mehr in der Tagespolitik ein Thema seien. In Europa sei „die größte Gefahr der Nationalismus. Wenn dieser mit Dummheit gemischt ist, ist es eine tödliche Mischung.“

"Global denken, lokal handeln"

Trotz EU-Skepsis dürfe der Einigungsprozess Europas nicht ins Stocken geraten, dafür benötige Europa Brückenbauer, sagte Dietrich Kropfberger, Doyen der Wirtschaftswissenschaften der Universität Klagenfurt, in seiner Laudatio auf Hermann Hirsch. Mit dem Motto "Unser Kernmarkt ist Europa - und von dort aus beliefern wir die ganze Welt" habe Hirsch sein Unternehmen in 40 Jahren zum Weltmarktführer hochqualitativer Uhren-Lederarmbänder geführt. Auch als langjähriger Kärntner IV-Präsident und WKK-Vizepräsident, sowie als französischer Honorarkonsul habe Hirsch nach dem Prinzip "think global - act local" die internationale Wirtschaftsentwicklung in Kärnten vorangetrieben. Hirsch war Mitinitiator unter anderem des Technologieparks und Lakeside Parks Klagenfurt, des Technologiefonds, eines eBusiness-Institutes an der Uni Klagenfurt, sowie des größten außeruniversitären Forschungsinstitutes Carinthia Tech Research (CTR) in Villach mit den Lakeside Labs  in Klagenfurt. Hirsch bedankte sich sichtlich gerührt: "Europa ist unsere große Heimat, jeder Einzelne kann für Europa etwas bewegen."

Europa-Gala der Wirtschaft

Moderatorin Ute Pichler, welche die EU als "das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte" bezeichnete, konnte zu der von rund 300 Teilnehmern besuchten Veranstaltung als Gastgeber hochrangige Kärntner Offizielle begrüßen wie Landeshauptmann Peter Kaiser, Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig und  Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Mandl. "Europa ist eine Verpflichtung für uns alle, beispielgebend  das Supranationale mit humanistischen Ideen weiterzuentwickeln", sagte Kaiser. Mandl verwies auf die Makroregion Euregio als Fördergemeinschaft. In Kärnten seien Industrie, Handwerk, Gewerbe  und Tourismus besser aus der Pandemie hervorgegangen, als in anderen Bundesländern. Ohne der EU wäre der Koralmtunnel nicht denkbar, erinnerte Schuschnig an den Stellenwert Europas.  Auch Europaeus-Initiator und Forum-Velden-Vorsitzender Walter Prutej, sowie seine Jury-Partner Martina Rattinger und Meinrad Höfferer dankten den Geehrten für ihre Verdienste für das vereinte Europa, aber auch ihren Mitarbeitern zur Bewältigung der Pandemie-Herausforderungen.  Für Prutej ist "die EU die beste Idee, die Europa je hatte". Mit zahlreichen Unternehmern und Führungskräften war es eine der  größten Kärntner Wirtschaftsveranstaltung seit den Corona-Lockdowns. Sängerin Sabine Neibersch sorgte für klangvolle Galastimmung.