Die Taliban haben Mullah Hassan Akhund zum amtierenden Chef der neuen Regierung in Afghanistan ernannt. Das teilte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid am Dienstag in Kabul mit und wies darauf hin, dass alle Posten in der Regierung zunächst kommissarisch vergeben wurden. Akhund war enger Weggefährte von Mullah Omar, einer der Gründer der Taliban und Staatsoberhaupt während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001.
Stellvertreter Akhunds soll Mullah Abdul Ghani Baradar werden, bisher Chef des politischen Büros der Islamisten. Der Posten des amtierenden Innenministers wurde an Sirajuddin Haqqani vergeben, Gründer des gleichnamigen Netzwerks. Die USA stufen das Haqqani-Netzwerk als terroristische Gruppierung ein. Mullah Mohammad Yaqoob ist als Verteidigungsminister vorgesehen. Yaqoob ist ein Sohn des Taliban-Gründers Omar. Für den Posten des Außenministers ist Amir Khan Muttaqi eingeplant, sein Stellvertreter soll Abbas Stanikzai werden.
33 Posten wurden besetzt
Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Ernennung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man nach "langer Überlegung" sukzessive bekanntgeben, sagte Mujahid.
Die Ernennung von Akhund zeige, "wie wenig wir im Westen über die Taliban wissen und ihre Entscheidungen voraussagen können", sagt der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Vor der Bekanntgabe waren die allermeisten Beobachter davon ausgegangen, dass Mullah Baradar Premierminister wird.
In der afghanischen Hauptstadt Kabul demonstrierten indes Hunderte Menschen gegen Pakistan und die militant-islamistischen Taliban. Männer wie Frauen zogen am Dienstag durch die Innenstadt und riefen gegen das Nachbarland gerichtete Sprechchöre und äußerten indirekte Kritik an den Islamisten. Lokale Medien berichteten von kurzzeitigen Verhaftungen ihrer Mitarbeiter durch Sicherheitskräfte der Taliban.
"Raus aus Afghanistan!"
Die Demonstranten hielten Schilder, auf denen "Pakistan - Pakistan - raus aus Afghanistan" oder "Freiheit" stand, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Einem BBC-Reporter zufolge behaupteten die Demonstranten, Pakistan habe den Taliban bei ihrer Eroberung der Provinz Panjshir geholfen, die am Montag nach tagelangen Gefechten an die Islamisten gefallen war. Viele erwähnten zudem den Besuch des Chefs des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Faeez Hameed, der sich Sonntag und Montag mit der Taliban-Führung in Kabul traf.
Viele Afghanen, auch bisherige Regierungsvertreter, äußern die Überzeugung, dass Pakistan die Taliban unterstützt und ihnen bei ihrer jüngsten Militärkampagne geholfen habe, mit der sie das Land gewaltsam übernommen haben. Islamabad bestreitet dies.
Die Taliban hatten nach massiven militärischen Gebietsgewinnen Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen. Der bisherige Präsident Ashraf Ghani war kurz davor aus dem Land geflohen. Seit ihrer Machtübernahme bemühen sich die Islamisten um eine gemäßigtere Außendarstellung als zu Zeiten ihrer Schreckensherrschaft zwischen 1996 und 2001. Es besteht dennoch weiter die Sorge, dass die militante Gruppe ihre Herrschaft auf Unterdrückung und drakonischen Strafen gründen könnte.