Dramatische Szenen spielen sich offenbar in Kabul: Ein Deutscher ist in Afghanistans Hauptstadt verletzt worden – er war auf dem Weg zum Flughafen. Das berichten Spiegel und ntv.
Große Bestürzung herrscht auch wegen des Todes eines 19-jährigen Afghanen: Der afghanischer Fußball-Nationalspieler kam beim Sturz aus einem Flugzeug auf dem Flughafen "Hamid Karzai" in Kabul ums Leben. Das berichtete die afghanische Nachrichtenagentur Ariana am Donnerstag. Der 19-jährige Zaki Anwari fiel Berichten zufolge aus der US-Militärmaschine Boeing C-17, als er versuchte aus der afghanischen Hauptstadt zu fliehen.
Die USA verstärken ihre Bemühungen zur Evakuierung von US-Amerikanern, Afghanen und Menschen anderer Nationalitäten aus Kabul. Auch andere Länder setzen ihre Evakuierungsflüge fort: In der Nacht zu Freitag brachten deutsche Bundeswehr-Maschinen erneut Hunderte Menschen aus der afghanischen Hauptstadt heraus. Nach Angaben des US-Außenministeriums warten am Flughafen Kabul rund 6000 Menschen, die alle Voraussetzungen für die Ausreise erfüllen.
Aus Washington hieß es, das US-Außenministerium schicke zusätzliche Konsularbeamte nach Katar und Kuwait, um dort die Weiterreise der Menschen zu organisieren. Außerdem seien weitere Beamte in Kabul gelandet, wo rund um den Flughafen weiter Chaos herrscht. Das Ziel sei es, so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich aus dem Land zu bringen.
Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums seien in engem Kontakt mit den militant-islamistischen Taliban außerhalb des Flughafens, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. "Wir wollen nicht, dass jemand belästigt oder verletzt wird." Kirby betonte, dass man keinen kompletten Überblick darüber habe, was außerhalb des Flughafens passiere und ob auch Menschen mit US-Pässen oder Visa von den Taliban schikaniert würden. Man habe am Flughafen zusätzliche Gates geöffnet, um die Evakuierung zu beschleunigen.
Zeitplan für Abzug soll beschleunigt werden
Die Journalistin Ayesha Tanzeem vom US-Auslandssender Voice of America berichtete via CNN von "grausamen Szenen" rund um den Flughafen. Die Situation sei genauso schlimm, wie es auf zahlreichen Videos zu sehen sei - und werde immer schlimmer. Sie selbst sei erst beim dritten Anlauf in den Flughafen gekommen und habe stundenlang im Gedränge gestanden.
"Ich kann bestätigen, dass sich derzeit 6.000 Personen am Flughafen befinden, die von unserem Konsularteam vollständig abgefertigt wurden und bald an Bord der Flugzeuge gehen werden", sagte der Sprecher des Ministeriums, Ned Price am Donnerstag. Es handle sich um US-Amerikaner, Afghanen und Menschen aus anderen Staaten.
Auch Großbritannien will den Zeitplan für den Abzug beschleunigen. Der letzte britische Evakuierungsflug soll nach Plänen der britischen Regierung Kabul schon in fünf Tagen verlassen, wie die Zeitung "The Times" berichtete. Laut der Zeitung soll den Ministern Anfang der Woche mitgeteilt worden sein, dass der letzte Evakuierungsflug am Dienstag vor dem geplanten Abzug der amerikanischen Streitkräfte am 31. August starten müsse.
Weiterhin Kritik an US-Präsident Biden
Unterdessen wurden neue Vorwürfe laut, die US-Regierung habe nicht rechtzeitig auf Warnungen gehört. CNN berichtete, im Juli hätten US-Diplomaten ein geheimes Schreiben an US-Außenminister Blinken geschickt und darin schnelles Handeln gefordert. "Soweit ich weiß, wurde in dem Telegramm der mögliche Sturz der afghanischen Regierung nach dem Abzug der US-Truppen am 31. August vorausgesagt", sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater Jonathan Finer dazu. "Ich denke, das Telegramm spiegelt wider, was wir schon die ganze Zeit gesagt haben." Niemand habe erwartet, dass die afghanische Regierung und Armee binnen weniger Tage kollabieren würden.
Finer bekräftigte den Plan, die Evakuierungsaktion bis Ende August abzuschließen - bis dahin wollten die USA eigentlich auch ihre Truppen aus Afghanistan abgezogen haben. "Wir glauben, dass wir die Amerikaner, die ausreisen wollen, bis zum 31. August rausholen können", sagte er. Ähnlich hatte sich am Vortag auch US-Präsident Joe Biden geäußert - ohne einen längeren Verbleib im Notfall auszuschließen, sollten noch US-Amerikaner in Afghanistan sein. Ob dies auch für afghanische Helfer gelte, ließ er offen.
50 Österreicher befinden sich noch in Afghanistan
Während das US-Militär mit Stand Donnerstagmorgen 2.000 Menschen innerhalb von 24 Stunden evakuiert hatte, hat die deutsche Bundeswehr seit Montag mehr als 1.600 Menschen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Am Freitagmorgen landeten zwei weitere Maschinen aus Kabul mit insgesamt über 360 Menschen in der usbekischen Hauptstadt Taschkent, von wo aus sie mit zivilen Flugzeugen weiter nach Deutschland gebracht werden.
Auf den deutschen Evakuierungsflüge sollen nach Angaben des Außenministerium auch die Österreicher, die sich noch in Afghanistan befinden, untergebracht werden. Am Donnerstag gelang es, zwei Personen außer Landes zu bringen. 50 weitere Österreicher mit afghanischen Wurzeln halten sich laut Außenministerium derzeit noch in und um Kabul auf. Sie wurden aufgefordert, sich zum Flughafen in Kabul zu begeben. Ein aus Mitarbeitern des Außenministeriums und Bundesheerangehörigen bestehendes Krisenteam, das die noch in Afghanistan befindlichen Österreicher bei der Ausreise unterstützen soll, ist auf dem Weg nach Afghanistan.
Derweil steigt die Sorge vor gewaltsamen Racheakten der Taliban nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan. Die G7-Staaten reagierten alarmiert auf entsprechende Berichte und forderten die Islamisten auf, die von ihnen zugesagte Sicherheit von Zivilisten auch wirklich zu gewährleisten. Diese Botschaft ging von einer Telefonkonferenz der Außen- und Entwicklungshilfeminister der G7-Staaten aus, zu denen die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland Italien, Kanada und Japan sowie Vertreter der EU gehören.
Man sei sich einig, "dass die Beziehungen der internationalen Gemeinschaft zu den Taliban von ihren Taten und nicht von ihren Worten abhängen werden", hieß es aus dem US-Außenministerium nach der Schaltung. In der kommenden Woche ist eine Telefonkonferenz auf Ebene der Staats- und Regierungschefs geplant.