Bei der ersten Runde der Regional- und Départementswahlen in Frankreich hat sich eine historisch niedrige Beteiligung abgezeichnet: Laut Hochrechnungen vom Sonntagnachmittag enthielten sich mehr als zwei Drittel der rund 48 Millionen Wahlberechtigten. Dies könnte bei dem letzten Stimmungstest vor der Präsidentenwahl in knapp einem Jahr vor allem den Rechtspopulisten von Marine Le Pen nutzen.

Die Berechnungen der Umfrageinstitute zeigen das größte Desinteresse an einem solchen Urnengang in der Nachkriegszeit: Die Enthaltung dürfte insgesamt zwischen 66,5 und 68,6 Prozent liegen, wie Hochrechnungen für die öffentlich-rechtliche Sendergruppe France Télévisions sowie den Privatsender BFM-TV ergaben. Die letzten Wahllokale sollten um 20.00 Uhr schließen.

Bis Sonntagnachmittag um 17.00 Uhr hatten nur 26,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, wie das Innenministerium in Paris mitteilte. Das waren demnach rund 16 Prozentpunkte weniger als bei den letzten Regionalwahlen im Dezember 2015 um diese Uhrzeit sowie bei den letzten Départementswahlen im März 2015. Bei den beiden vorherigen Abstimmungen hatten sich gegen 17.00 Uhr jeweils noch rund 43 Prozent der Wähler beteiligt.

Die geringe Beteiligung dürfte nach Einschätzung von Meinungsforschern vor allem Le Pens Partei Rassemblement National (RN, Nationale Sammlungsbewegung) zugutekommen. Sie könnten laut Umfragen stärkste Kraft bei den wichtigeren Regionalwahlen werden und in sechs der 13 zentralfranzösischen Regionen den Sieg davontragen. Der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM, Die Republik in Bewegung) von Amtsinhaber Emmanuel Macron wurde dagegen eine Schlappe vorausgesagt.

Le Pen hat die Wahlen zu einer Abstimmung über Macrons Reformkurs und seine Corona-Politik erklärt. Sie will den 43-Jährigen auch im kommenden Frühjahr bei den Präsidentschaftswahlen herausfordern. Laut Umfragen wird dabei ein knappes Rennen erwartet. Bei der letzten Präsidentenwahl 2017 hatte sich Macron in der Stichwahl mit rund 66 Prozent noch klar gegen Le Pen durchgesetzt.

Bei den Wahlen an diesem Sonntag ging es um die Ratsvertreter in den Regionen sowie Départements, den kleineren Verwaltungsbezirken. Die Abstimmung wurde von Pannen überschattet: In der südfranzösischen Hafenstadt Marseille öffneten mehr als 30 Wahllokale verspätet, weil nicht genügend Helfer anwesend waren. In anderen Gemeinden fehlte es zudem an Unterlagen.

Eine zentrale Rolle im Wahlkampf spielte nach einer Reihe von Anschlägen das Thema Sicherheit. Allerdings haben die Gebietskörperschaften hierfür kaum Kompetenzen. Sie sind etwa für Wirtschaftsförderung, Bildung oder Verkehrsinfrastruktur zuständig.

Die Wahlen fielen mit einer lange erhofften Lockerung der Corona-Auflagen in Frankreich zusammen. Nach fast acht Monaten endeten am Sonntag die nächtlichen Ausgangssperren im Land. Zuletzt durften die Franzosen ihre Häuser nach 23.00 Uhr nur aus triftigen Gründen verlassen. Am Donnerstag war bereits die Maskenpflicht im Freien weitgehend aufgehoben worden. Die Sieben-Tage-Inzidenz war in Frankreich zuletzt unter 30 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner gefallen.

Wegen der Corona-Pandemie fand der Urnengang rund drei Monate später statt als ursprünglich geplant. Eine Stichwahl wird dort nötig, wo keine Liste eine absolute Mehrheit der Stimmen bekommt. Die zweite Runde findet am Sonntag in einer Woche statt.