Der Sieger des Abends zitierte Angela Merkel. „Die Leute kennen mich“, sagte Reiner Haseloff. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt wirkte dabei sehr gelöst. Mit diesem Satz hatte die scheidende Kanzlerin schon bei der letzten Bundestagswahl gepunktet.

CDU legte zu

Und mit diesem Satz kommentierte Haseloff nun eine echte Überraschung. Seine CDU legte am Sonntag bei der Wahl in Sachsen-Anhalt kräftig zu und kommt auf weit über dreißig Prozent.
Weit vor der extrem rechten AfD, die mit über zwanzig Prozent nicht nur hinter dem Ergebnis der Wahl vor fünf Jahren zurückblieb, sondern auch hinter ihren Hoffnungen, im Landtag die stärkste Partei zu stellen. Daraus wurde nichts. „Das Land hat sich aufgebäumt“, sagte Haseloff und lieferte damit das Thema des Abends. Die nach quälend langer Führungsdebatte ausgelaugte Union hat seit Sonntag plötzlich ein ganz klassisches Motiv für die Bundestagswahl im Herbst wiederentdeckt: Sicherheit. Die Union sorgt für Stabilität.

Triumphator Reiner Haseloff
Triumphator Reiner Haseloff © AFP

Natürlich ging es am Sonntag um eine Landtagswahl. Aber das Votum war der letzte Stimmungstest vor der Wahl im Bund am 26. September. Und so wurde Sachsen-Anhalt zur Richtungswahl bestimmt. „Das gibt Rückenwind für den Bund“, sagte Unions-Klubobmann Ralph Brinkhaus und schaltete um in den Wahlkampfmodus. „Das ist auch ein Sieg für Armin Laschet.“ Die Union punktet doppelt: Ihr bleibt eine Führungsdebatte erspart und sie muss auch keine Diskussion über den richtigen Umgang mit der extremen Rechten fürchten. Vorerst. Mitten in einem Wahlkampf mit Modernisierungsthemen wie Klimaschutz und Digitalisierung scheint die Union auf dem Weg zurück in die Zukunft. Das Ergebnis von Sachsen-Anhalt wirkt wie ein Himmelsgeschenk.

Ganz anders läuft es für die Mitbewerber. Die Grünen konnten in Sachsen-Anhalt zwar leicht zulegen. Sie bleiben aber weit hinter dem erhofften zweistelligen Ergebnis zurück. Die Partei schwächelt traditionell im Osten. „Wir haben zugelegt. Aber nicht so wie erhofft“, gestand Kanzlerkandidatin Annalena Bearbock. Sie muss derzeit heftige Attacken ertragen. Die politischen Mitbewerber schalten um auf Angriff. Zuletzt ging es um Klimaschutz und steigende Spritpreise. Aber auch Medien machen mobil. Von „Baerböcken“ sprach die „Welt“.

Das war selbst Einzelnen aus der SPD zu viel. Sie wünsche sich, dass Olaf Scholz die Wahl gewinne, erklärte die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, fügte mit Blick auf die persönlichen Attacken aber hinzu: „Die oft misogyne Hetze gegen Baerbock ist indiskutabel“.

Noch ehe der Bundestagswahlkampf anläuft, erlebt Deutschland eine Amerikanisierung der Kampagnen – mit persönlichen Angriffen vor allem auf die Grünen-Kandidatin. Die Hilflosigkeit, mit der die Grünen darauf reagieren, lassen ernste Zweifel aufkommen.

Der SPD hingegen fehlt im Osten nicht nur die Basis, sondern auch ein Programm für die postindustrielle Ära. Einstellig schnitt die Partei in Sachsen-Anhalt ab. Nichts mit Rückenwind Ost für Olaf Scholz für die Bundestagswahl. Von einer „bitteren Niederlage“ sprach Parteichefin Saskia Esken.

Jubel hingegen bei der FDP. Sie kehrt in den Landtag zurück. „Das ist ein guter Abend für die freien Demokraten in ganz Deutschland“, sagte Parteichef Christian Lindner. Die FDP ist wieder im Geschäft. Nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch im Bund.

Deutschland übt sich derzeit in Flaggenkunde. Derzeit regiert in Sachsen-Anhalt ein Kenia-Bündnis aus Union, SPD und Grünen. Doch über eine Deutschland-Koalition wird spekuliert: Schwarz, Rot, Gelb.
Ein Modell möglicherweise auch für den Bund – zu Lasten der Grünen. Rot-Rot-Grün fehlt nicht nur in Magdeburg die Mehrheit. Auch, weil die Linke nach unten tendiert. Die AfD ist die neue Regionalpartei Ost.
Ministerpräsident Haseloff mochte am Wahlabend nicht über mögliche Bündnisse spekulieren. Er werde mit allen demokratischen Parteien sprechen, sagte Haseloff. Das schließt die AfD aus.

Deren Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Tino Chrupalla, bot der Union ein Bündnis an. Aber darüber mochte erst gar niemand reden. Die AfD bleibt stark. Und sie bleibt isoliert. Auch das ist eine Botschaft des Abends.