Selbst eine in den sozialen Medien lancierte Fakenews-Kampagne vermochte den vermeintlichen Auslandssöldner nicht zu stoppen. Mit über 65 Prozent der Stimmen konnte Tomislav Tomasevic auch die Stichwahl um den Bürgermeisterposten in Kroatiens Hauptstadt Zagreb am Sonntag klar für sich entscheiden. Er danke für das „klare Mandat für echte Veränderung“, so der 39-jährige Hoffnungsträger des alternativen „Mozemo“-Bündnis: „Hinter uns stehen keine großen Sponsoren, sondern die Bürger. Mit Stolz werde ich diese Stadt in eine bessere Zukunft führen.“

Der Wahlsieg des langjährigen Bürgerrechtsaktivisten und früheren Mitarbeiter der grünen Heinrich-Böll-Stiftung ist für Zagreb eine Zeitenwende, aber liegt im Südosten des Kontinents durchaus im Trend. Trotz scheinbar fest im Sattel thronender Rechtsregierungen werden immer mehr Rathäuser von neuen Gesichtern und oft linksalternativen Kräften übernommen. Mausern sich die Balkan-Großstädte zu Keimzellen der Veränderung?

Kein einheitliches Bild

Zumindest die überraschenden Machtwechsel in den Rathäusern der Region in den letzten beiden Jahren lassen die Opposition auf der ganzen Balkanhalbinsel neue Morgenluft wittern. Einheitlich ist das Bild nicht: Aber auffällig ist, dass eher neue Gesichter und alternative Kräfte als traditionelle Parteien von der Sehnsucht nach Veränderung zu profitieren scheinen.

Nicht nur in Deutschland ist Grün auf dem Vormarsch. Ausgerechnet in dem von der nationalpopulistischen Fidesz-Partei völlig dominierten Ungarn setzte sich 2019 bei der Bürgermeisterwahl in Budapest der von einem linksalternativen Bündnis unterstützte Gergely Karacsony durch – ein Kunststück, dass in der autoritär regierten Türkei in demselben Jahr auch dem Sozialdemokraten Ekrem Imamoglu gelang.

Bei den Kommunalwahlen in Rumänien übernahm 2020 in der Hauptstadt Bukarest der Bürgerrechtler Nicosur Dan und in Temeswar (Timisoara) der Schwarzwälder Ex-Grüne Dominic Fritz vom Antikorruptionsbündnis USR-Plus das Rathausruder. Beim Kampf um das Rathaus im bosnischen Sarajevo vermochte ein linksliberales Wahlbündnis die jahrzehntelange Vormachtstellung der nationalpopulistischen SDA zu brechen – und mit der 30-jährigen Sozialdemokratin Benjamina Karic im April eine neue Hoffnungsträgerin auf den Bürgermeistersessel zu hieven.

Kritisches Potenzial ist groß

In den Metropolen ist das kritische Potenzial größer. Der Verdruss über Vetternwirtschaft und Korruptionsmauscheleien kann sich in Großstädten zudem lauter artikulieren – und von den Parteien der Macht schlechter als in der Provinz kontrolliert und kanalisiert werden. Doch die Hauptstadt ist nicht das ganze Land. Und verkrustete Machtstrukturen lassen sich nur mit einem Bürgermeisterwechsel landesweit kaum aufzubrechen.

Seine konservative HDZ habe in 15 von 20 Gespannschaften gewonnen, erklärt Kroatiens Premier Andrej Plenkovic seine Partei  „zum absoluten Gewinner“ der Kommunalwahlen. Doch in den vier Großstädten des Landes wird die langjährige Regierungspartei nur noch in Osijek den Bürgermeister stellen: In der Hauptstadt Zagreb gelang dem HDZ-Kandidaten nicht einmal der Einzug in die Stichwahl. „Die Wähler haben genug von den lokalen Sheriffs und großen Versprechen“, kommentiert die Journalistin Tihana Tomicic von der Zeitung „Novi List“ in Rijeka den Ausgang der kroatischen Kommunalwahlen: „Sie wollen einfach eine neue Ordnung.“