In Sack und Asche kam sie nicht, ihr Büßerhemd war nicht aus Ziegenhaar, wie einst das „Cilicium“ der frühchristlichen Asketen. Und doch legte Angela Merkel am Mittwoch eine Entschuldigung hin, die manche schon „historisch“ nennen. „Um es klipp und klar zu sagen: Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler,“ sagte Merkel vor der Weltpresse. Gemeint war ihr Rückzieher vom Osterruhe-Erlass.
Merkel ist nicht die erste Politikerin, die sich entschuldigt. Eigentlich tat sie nur das, was die meisten Eltern versuchen, ihren Kindern beizubringen. Dass ihre Demutsgeste vor dem Bürger für so viel Aufsehen sorgt, macht deutlich, dass es hier um mehr geht: Wenn die Macht Abbitte leistet, tritt sie runter vom Sockel. Das deuten die einen als Erniedrigung, die anderen als große Geste: „Ich bin auch nur Mensch“, ist die eigentliche Botschaft.
Und doch: Nicht alle bekommen das „Mea Culpa“ so gut hin. Bill Clinton hatte 1998, nach monatelangem Leugnen dann doch gestanden, er habe mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky im Oval Office eine Beziehung gehabt. Diese sei „nicht angemessen“ gewesen, formulierte der US-Präsident mäßig präzise. Er habe diesbezüglich in früheren Aussagen einen „falschen Eindruck“ vermittelt. Man könnte auch sagen: gelogen.
Ein bisserl ähnlich im Ton klang hierzulande Heinz-Christian Strache nach dem Ibiza-Video: Er entschuldige sich für sein „typisch alkoholbedingtes machohaftes Verhalten“ – eine „b’soffene G’schicht“ eben. Unter Tränen entschuldigte sich Strache auch bei seiner Ehefrau Philippa, die er enttäuscht habe, weil er die „attraktive Gastgeberin“ habe beeindrucken wollen.
Glaubwürdiger wirken Bekenntnisse, wenn Konsequenzen folgen: Die deutsche Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, gab 2010 ihre Ämter ab, nachdem sie alkoholisiert mit dem Auto gefahren war und eine rote Ampel missachtet hatte. „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“, sagte sie in ihrer Rücktrittserklärung. 2020 hatte dann Brigitte Bierlein am Steuer ein Gläschen zu viel: „Es tut mir aufrichtig leid“, erklärte sie. Das Kanzleramt der Nach-Ibiza-Beamtenregierung hatte sie damals aber nicht mehr.
Die Wissenschaft hat auch die Kunst der politischen Entschuldigung untersucht. Aus Sicht der Forschung sei Angela Merkels Verhalten mustergültig, urteilt die Politikwissenschaftlerin Karina Strübbe: „Denn sie äußert Reue, übernimmt Verantwortung und bittet um Verzeihung“. Es handle sich dabei um eine sogenannte „Reparatur-Entschuldigung“. Merkel habe sich so umfassend entschuldigt, dass dies entwaffnend sei und die Glaubwürdigkeit erhöhe.
Auf der anderen Seite der Skala findet man das lapidar hingeworfene „sorry“, wie es bei Clinton mitschwang. Unterbieten lässt sich das fast nur noch durch die Entschuldigung „Ischgl-Style“: Wenn man als Gesundheitslandesrat trotz Masseninfektionen gebetsmühlenartig wiederholt, „alles richtig gemacht“ zu haben, kommt das schon fast einem Eingeständnis gleich – wenngleich mit schlechten Haltungsnoten.
Als Vorreiter der Kunst der politischen Entschuldigung ist zweifelsohne der deutsche König Heinrich IV. zu würdigen, der im elften Jahrhundert drei Tage lang vor der Burg von Canossa ausharrte, im Büßerhemd, was Ende Jänner selbst in Oberitalien sicher kein Genuss war. Besänftigen wollte er damit Papst Gregor VII., der ihn exkommuniziert hatte. Böse Zungen meinen, den Bußgang habe sich der König nur zugemutet, weil vorher auspaktiert war, dass er in Gnaden wieder in die Kirche aufgenommen würde.
Zu unterscheiden sind Entschuldigungen für persönliche Fehltritte von stellvertretenden Entschuldigungen: etwa Willy Brandts Kniefall am Ehrenmal des Warschauer Ghettos im Dezember 1970. Eine wortlose, demütige und doch monumentale Geste, die als Bitte um Vergebung für die Verbrechen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verstanden wurde.
Franz Vranitzky bekannte sich 1991 als Bundeskanzler bei einer Rede im Parlament zur Verantwortung, die Österreich für die dunkle Seite seiner Geschichte übernehmen müsse. In Jerusalem erklärte er dann 1993: „Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten und zu den bösen. Und so, wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen.“ Dem schloss sich 1994 Thomas Klestil vor der Knesset an.