Israel bezeichnet derzeit sich selbst als Impf-Weltmeister. Tatsächlich gilt das Corona-Management derart als Vorbild, dass nun in kurzem Takt Regierungschefs nach Jerusalem reisen und sich über die Impfstrategie, die ersten Erkenntnisse nach so großflächiger Immunisierung und auch den „Grünen Pass“ als Freifahrschein für Geimpfte aufklären lassen. Wie es dem Land gelingen konnte, so schnell so viele Menschen zu impfen, und welche Wirkung man bereits sieht, hat Ran Balicer vor internationalen Journalisten erklärt. Der Medizinprofessor ist Vorsitzender des Beraterstabes der Regierung und Forschungsdirektor der größten israelischen Krankenkasse Clalit.
Balicer berichtet von einer Massenstudie zum verimpften Pfizer/Biontech-Impfstoff, die seine Krankenkasse erhoben hat. Demnach ergebe sich eine Schutzwahrscheinlichkeit von 94 Prozent für symptomatische Infektionen und 92 Prozent Schutzwahrscheinlichkeit vor schwerer Erkrankung, sagt der Professor und betont, dass damit die Zahlen der Studien des Impfstoffherstellers repliziert werden konnten. Die israelischen Ergebnisse wurden am Donnerstag auch im „New England Journal of Medicine“ publiziert. „Stand 1. März haben wir 55 Prozent der Bevölkerung geimpft und das in zweieinhalb Monaten“, sagt Balicer. 3,2 Millionen Menschen hätten damit den „Grünen Pass“ und könnten damit wieder am normalen Leben teilhaben. Und er ergänzt voller Stolz: „Mehr als 80 Prozent der Menschen über 50 sind jetzt geschützt.“ Man sei damit fast am gesetzten Ziel von Premier Benjamin Netanjahu dran.
Ein landesweites Testlabor
Der Hauptgrund, dass Israel weltweit führend wurde, liegt nach den Worten von Ärztin Sharon Alroy-Preis darin, dass Israel bereits am 6. Jänner eine Übereinkunft mit Pfizer getroffen hat, wonach der US-Konzern Zugang zu Israels Gesundheitsdaten kommt. Anonymisiert natürlich. Alroy-Preis ist Leiterin des Dienstes für öffentliche Gesundheit im israelischen Gesundheitsministerium. Sie ist für die Impfkampagne aufseiten der Regierung zuständig. Israel habe so früh wie kein anderer Staat solche mengen Impfstoff erhalten und ließ Pfizer damit freie Hand für dieses wissenschaftliche Megaprojekt.
„Wir konnten die Wirksamkeit der Impfung in Echtzeit beobachten“, sagt Balicer. Man habe zwei riesige gleich große Gruppen gebildet und sowohl in der Impfgruppe wie in der nicht geimpften Kontrollgruppe möglichst spiegelbildliche Pendants für eine maximale Vergleichbarkeit zu bekommen. So sei das Projekt für Pfizer der optimale Standort gewesen, ergänzt um die geografische Abgeschlossenheit Israels, und habe gleichzeitig die Akzeptanz der Bevölkerung auf ein hohes Niveau gehoben – und zwar in allen Bevölkerungsgruppen, wie die beiden Hauptverantwortlichen betonen.
Ingo Hasewend