Sie gilt als das bekannteste Gesicht der saudischen Frauenbewegung. Jahrelang kämpfte Loujain al-Hathloul in Saudi-Arabien gegen die systematische Diskriminierung der weiblichen Bevölkerung. Als das Königshaus im Frühsommer 2018 endlich den Frauen das Autofahren erlaubte, wurden Loujain al-Hathloul und ihre Mitstreiterinnen nicht etwa als Vorkämpferinnen gefeiert, sondern „wegen versuchter Destabilisierung des Königsreiches“ verhaftet.

Am Montag verurteilte ein spezieller Gerichtshof für Terrorverbrechen in Riyadh die 31-Jährige nun zu fünf Jahren und acht Monaten Haft. Da die Untersuchungshaft angerechnet wird und ein Teil der Strafe auf Bewährung ausgesetzt wurde, kommt die Aktivistin möglicherweise im März 2021 auf freien Fuß. Die Staatsanwaltschaft hatte zwanzig Jahre gefordert. Die Anklageschrift warf ihr vor, sie habe mit ausländischen Menschenrechtsorganisationen, europäischen Diplomaten und westlichen Journalisten kommuniziert sowie an internationalen Konferenzen über die Situation saudischer Frauen teilgenommen.

Loujain al-Hathloul beim Autofahren
Loujain al-Hathloul beim Autofahren © AP

Human Rights Watch sprach von einer juristischen Farce. Die Vereinten Nationen nannten die Anklage „aus der Luft gegriffen“ und erklärten, Menschenrechte zu verteidigen könne niemals als eine Gefahr für die nationale Sicherheit angesehen werden. Während der Haft hatten die Schergen des Königshauses versucht, Loujain al-Hathloul seelisch zu brechen.

Saud al-Qahtani, enger Vertrauter des Kronprinzen Mohammed bin Salman und einer der Drahtzieher des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul, drohte der jungen Gefangenen, man werde sie töten und ihre Leiche in den Abwasserkanälen verschwinden lassen. Nach Angaben ihrer Familie wurde sie sexuell misshandelt und mit Elektroschocks gequält. Seitdem zittern ihre Hände unkontrollierbar. Zu den Verhandlungen erschien die Angeklagte körperlich so geschwächt, dass sie die Prozesspapiere kaum in der Hand halten konnte. Ihre Eltern dürfen Saudi-Arabien seit mehr als zwei Jahren nicht mehr verlassen. Ihre beiden Schwestern Alia und Lina dagegen leben in Belgien.

Loujain al-Hathloul ist ein weiteres prominentes Opfer des Repressionskurses von Thronfolger Mohammed bin Salman. Und dessen Botschaft lautet: Bürgerrechte in Saudi-Arabien werden nicht von unten erkämpft, sondern von oben gewährt. Politischer Aktivismus und offene Reformdebatten sind tabu in der absolutistischen Öl-Monarchie auf der Arabischen Halbinsel. Das harte Urteil in Kombination mit einer vorzeitigen Freilassung dürfte wohl im Blick auf die neue US-Administration von Joe Biden gefallen sein. Er werde die Beziehung zu Saudi-Arabien neu bewerten, hatte der designierte US-Präsident bereits im Wahlkampf angekündigt. Der Auswärtige Ausschuss des US-Senats, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, hatte ebenfalls die „umgehende und bedingungslose“ Freilassung von Loujain al-Hathloul gefordert.