Kurz vor Ablauf der Frist im Ringen um einen Brexit-Handelspakt zeichnete sich nach Angaben aus Verhandlungskreisen weiter keine Lösung ab. Britische Medien berichteten am Samstagabend unter Berufung auf Regierungskreise, so wie die Dinge stünden, bleibe das Angebot der EU inakzeptabel.

Dann die Meldung, die schon wirkt, als stamme sie aus dem Film "Und täglich grüßt das Murmeltier": Es wird weiterverhandelt. Frist hin oder her. Die Gespräche über einen Post-Brexit-Handelspakt zwischen Großbritannien und der Europäischen Union werden doch noch einmal fortgesetzt. Darauf einigten sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson bei einem Telefonat am Sonntag.

Die britische Position sei unverändert: Jedes Abkommen müsse fair sein und die Prinzipien der Souveränität und der Kontrolle über die eigenen Angelegenheiten respektieren. Die britische Regierung veröffentlichte Details zu ihrer No-Deal-Planung: Man habe ein Strategiebuch entwickelt, in dem "jedes einzelne vorhersehbare Szenario durchgespielt" werde, sagte ein Regierungssprecher.

Großbritannien hat die EU bereits Anfang des Jahres verlassen. Bis Ende des Jahres gilt aber noch eine Übergangsfrist, während der fast alles beim Alten bleibt. Sollte bis dahin aber kein Handelspakt vereinbart sein, drohen hohe Zölle und andere Handelshemmnisse. Wichtigste Streitpunkte sind die Themen faire Wettbewerbsbedingungen und Zugang europäischer Fischer zu britischen Gewässern.

Der Ton wurde zuletzt spürbar schärfer: Im Streit um die Fischereirechte kündigte London an, die Küstengewässer nötigenfalls mit Schiffen der Royal Navy vor EU-Fischkuttern zu schützen. Die Europäische Kommission hatte kürzlich vorgeschlagen, die bisherige Regelung im Fall eines Scheiterns der Gespräche vorerst beizubehalten. Die Ankündigung Londons, die Königliche Marine auf den Plan zu rufen, dürfte eine eindeutige Absage an diesen Vorschlag gewesen sein.

Im Falle eines No Deals wäre nicht nur der Handel betroffen, sondern auch andere Bereiche, wie der Kampf gegen grenzüberschreitende Kriminalität. Der ehemalige Direktor der europäischen Polizeibehörde Europol, Max-Peter Ratzel, zeigte sich am Samstag besorgt über die stockenden Verhandlungen. "Ich bin als Europäer beunruhigt, weil wir einen Teil unserer Fähigkeiten verlieren", sagte der Deutsche dem britischen Nachrichtensender Sky News. Als Brite wäre er aber noch stärker beunruhigt. "Sie verlieren natürlicherweise mehr als wir", sagte er an die Briten gerichtet. Das liege an dem Größenunterschied zwischen Großbritannien und der Europäischen Union als Block von Staaten.

Beide Seiten würden im Falle eines No Deals den Zugang zu wichtigen Datenbanken verlieren. London müsste beispielsweise auf das Schengener Informationssystem verzichten, in dem unter anderem Daten zu gesuchten Kriminellen abrufbar sind. Ratzel rief die Politiker daher auf, selbst im Falle eines No Deals einen Weg für die weitere Zusammenarbeit auf dem Feld der Polizei und Justiz zu finden.