Donald Trump hat den Weg endlich freigemacht für den Machtwechsel. Einer der ersten Posten, den der designierte US-Präsident Joe Biden besetzte, ist jener des Sondergesandten des Präsidenten für das Klima. Dieses neue Amt im Zeichen des Klimaschutzes ist ein absolutes Novum in der Geschichte von US-Regierungen. Der Mann, den Biden dafür wählte, ist kein geringerer als der ehemalige Außenminister John Kerry.
Viele US-Klimaschützer setzen große Hoffnungen in Joe Biden und seine Regierung, was die unter Trump zum Stiefkind gewordene Klima- und Umweltpolitik betrifft, und haben bereits ein Auge auf Kerry geworfen.
Im „Krieg“ gegen die Klimakrise
Dass sich Kerry entschieden für den Kampf gegen den Klimawandel ausspricht, ist kein Geheimnis. So gilt er als einer der „Architekten“ des Pariser Klimaabkommens, zu dem die Vereinigten Staaten bereits im Jänner aller Voraussicht nach zurückkehren werden.
Im Spätherbst 2019 war er federführend an der Gründung des Bündnisses „World War Zero“, zu dem neben ihm Prominente wie Bill Clinton und Leonardo DiCaprio gehören, beteiligt. Hauptziel ist ein Diskurs über den Klimawandel mit US-Bürgern unterschiedlichster politischer Einstellungen.
Aufgrund von Aktionen wie dieser wird die Einberufung Kerrys weltweit größtenteils positiv aufgenommen. Die bekannteste Klimaschützerin der Welt, Greta Thunberg, etwa kommentierte ein Statement des 76-Jährigen via Twitter mit einem knappen „Good to know!“ (Gut zu wissen!).
Bundeskanzler Sebastian Kurz telefonierte bereits am Mittwoch mit seinem ehemaligen Außenminister-Amtskollegen und tauschte sich mit ihm über das Thema Klimaschutz aus.
Streitpunkt Fracking
Was vielen Klimaschützern und Progressiven jedoch Bauchweh bereitet, ist unter anderem Kerrys Einstellung zum umstrittenen Hydraulic Facturing (kurz Fracking). Bei dieser Energiegewinnungsmethode werden unter hohem Druck Flüssigkeiten in den Gesteinsuntergrund gepresst und dadurch natürliche Klüfte und Risse erweitert. Auf diese Weise kann Erdgas leichter gewonnen werden (siehe Grafik).
Die Methode bringt eine ganze Reihe von Umweltschäden mit sich, darunter die Verunreinigung von oberflächennahem Grundwasser und Böden. Und während Fracking durch die Nutzung von Erdwärme zwar dabei helfen kann, Treibhausemissionen zu vermeiden, verursacht die sogenannte „unkonventionelle“ Erdgasförderung Methan- wie auch (in der Nutzung) Kohlendioxidemissionen.
John Kerry wird in seinem Heimatland von einigen vorgeworfen, nicht dagegen einzutreten. Wenonah Hauter, Vorsitzende der Non-Profit-Organisation Food & Water Action, nannte die Wahl des ehemaligen Diplomaten zum Klima-Sondergesandten gar „alarmierend“. Sie bezeichnete ihn weiters als „Langzeitverteidiger des Frackings fossiler Energieträger und zuverlässigen Befürworter falscher Klimalösungen wie des marktbasierten Emissionshandels“. Seine Ideen seien veraltet und würden wenig bis gar nichts zur Klimarettung beitragen.
Tatsächlich machte sich Kerry während seiner Amtszeit als Außenminister unter Barack Obama – nach Aufhebung des 40-jährigen Rohölexportverbots – die boomende Gas- und Ölindustrie zunutze. So unterstützte er den Export amerikanischer Fracking-Technologie an Länder wie Kanada, China und Argentinien. Dies geschah teilweise in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Vizepräsidenten Joe Biden.
Carrol Muffett, Präsident des Center for International Environmental Law, erinnert daran, dass Kerry noch 2016 davon überzeugt war, Ölschiefer und Fracking würden in den USA eine „neue Ära“ der Energiegewinnung einläuten. Nur deswegen habe er den Bau der umstrittenen Pipeline Keystone XL als „nicht im nationalen Interesse“ abgelehnt.
Moderater Klimakurs erwartet
Wenngleich die meisten Kommentatoren dem neu geschaffenen Posten des „Climate czar“ (so die Bezeichnung vieler US-Medien) etwas abgewinnen können, gibt es somit auch Stimmen der Enttäuschung. Erwartet wird ob der bisherigen Klimapolitik des Demokraten kein revolutionärer, sondern moderater Kurs.
Ob John Kerry sich von den klimaschädlichen fossilen Energieträgern losgesagt hat, wird sich zeigen. Eines ist jedenfalls klar: Er wird ab Jänner 2021 eine der mächtigsten Funktionen im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel ausüben. Bleibt zu hoffen, dass er diese auch nutzt.
Clemens Stockner