Die Wende kam am Montagnachmittag um 16.34 Uhr Ortszeit in Lansing.Nach mehrstündigen öffentlichen Beratungen rangen sich die vier Vorsitzenden der Wahlbehörde von Michigan endlich zur Abstimmung durch. Das Resultat: Drei der Vorstandsmitglieder, zwei Demokraten und ein Republikaner, votierten für die Zertifizierung des Auszählungsergebnisses der Präsidentschaftswahl am 3. November. Ein Republikaner enthielt sich der Stimme. Damit war es offiziell. Der designierte Präsident Joe Biden hat Donald Trump um mehr als 150.000 Stimmen im wichtigen Swing State geschlagen.
Zwar erklärte Trumps Rechtsberaterin Jenna Ellis: „Wir werden den Wahlbetrug im ganzen Land bekämpfen, indem wir weiter darum kämpfen, alle legalen Stimmen zu zählen.“ Das Ergebnis von Michigan markiert aber dennoch die Wende. Michigan ist der Anfang des Endes von Trumps Präsidentschaft. Mit der Zertifizierung gibt es de facto keine Zweifel mehr, dass Biden am 20. Jänner als der 46. US-Präsident angelobt wird – trotz der von Trump-getreuen Republikanern und Kommentatoren weiterhin erhobenen Vorwürfe der Wahlfälschung.
Das sehen auch andere so. Kurz nach Verkündung des Endergebnisses von Michigan übermittelte die Chefin der General Services Administration (GSA), Emily Murphy, Biden ein Schreiben, in dem sie die behördliche Unterstützung für die nahtlose Übergabe der Amtsgeschäfte zusagte.Damit wird der Amtsübergabeprozess in Washington endlich eingeläutet. Bidens Team hat damit Zugriff auf 6,3 Millionen Dollar, kann Gehälter auszahlen, erhält endlich Zugang zu Amtsgebäuden, geheimen Briefings und kann sich nun auch mit den Plänen der Trump-Regierung zur landesweiten Verteilung eines Corona-Impfstoffes vertraut machen.
Murphy unterstrich in ihrem Brief, sie habe ihre Entscheidung aus freien Stücken getroffen. Trump widersprach ihr auf Twitter. Er persönlich habe sie beauftragt. Am Dienstagmorgen folgte eine weitere Kurznachricht, in der er erklärte, dass die GSA „nicht entscheidet, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten“ werde.
Unterstützung für Trump schwindet
Doch die Unterstützung für Trumps Wahlbetrugskampagne ist im Schwinden. Unter der republikanischen Führung kam es nach den bizarren Presseauftritten des ehemaligen New Yorker Bürgermeisters Rudolph W. Giuliani und der Anwältin Sidney Powell, die beide ohne Beweise über ein von ausländischen Kräften unterstütztes demokratisches Komplott gegen den Präsidenten schwafelten, zum Aufstand. Immer mehr Republikaner stellen sich seither öffentlich gegen die Fortführung dieser Kampagne. So zuletzt der ehemalige Gouverneur von New Jersey, Chris Christie. Auch die einflussreiche Fox- News-Kommentatorin Laura Ingraham sagte in ihrer Sendung am Montag, dass Biden wohl mit großer Sicherheit am 20. Jänner angelobt werde.
Ein Grund, warum sich einzelne Republikaner plötzlich öffentlich gegen Trump aussprechen, ist das sicherheitspolitische Erbe des Wahlkampfes zwischen George W. Bush und Al Gore im Jahre 2000. Damals stand ein Sieger erst Mitte Dezember durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes fest. Im Abschlussbericht der parlamentarischen Kommission zu den Anschlägen am 11. September wurde festgehalten, dass die wochenlangen Verzögerungen des Amtsübergabeprozesses wohl Mitschuld am Versagen der Behörden trug, da wichtige Geheimdienstinformation zwischen republikanischen und demokratischen Regierungsteams nicht geteilt wurden. Dadurch konnten die Terroristen fast ungestört ein paar Monate später auf amerikanischem Boden zuschlagen.
Die Mehrzahl der Republikaner hält Trump aber nach wie vor die Treue. Selbst wenn feststeht, dass er das Weiße Haus verlassen muss, wird er ein wichtiger Faktor in der amerikanischen Politik bleiben. So könnte er trotz Abwahl die Republikaner anführen und Getreue für ein Comeback 2024 um sich scharen. Ob die Parteiführung dabei mitspielt, bleibt abzuwarten. Mitch McConnell, Fraktionschef der Republikaner im Senat, wird alles tun, um die Einheit der Partei bis zu den wichtigen Stichwahlen in Georgia Anfang Jänner zu wahren, die über die Mehrheit im Senat entscheiden werden. Danach wird es Raum für eine breitere Debatte zur Zukunft der Partei geben. Den Republikanern steht also in den nächsten Monaten eine ideologische Zerreißprobe bevor.