In normalen Jahren quellen die Hotels in Mekka in diesen Tagen über. Durch die Straßen hallen nahezu alle Sprachen des Globus. Muslime aus China und Russland plaudern mit Mitgläubigen aus Europa und Amerika. Araber treffen sich mit Afrikanern und Asiaten. Aus sämtlichen Ecken der Erde kamen im vergangenen Jahr die 2,5 Millionen Hadsch-Pilger in die Heiligste Stadt des Islam, um an der fünftägigen Wallfahrt der Superlative teilzunehmen, die jeder Muslim einmal in seinem Leben mitgemacht haben sollte.

Durch Corona ist nun alles anders. Beklemmende Ruhe liegt über dem Geburtsort des Propheten Mohammed. Seit Jahrhunderten empfangen die Bewohner die gottesfürchtigen Reisenden, bewirten und betreuen sie. Dazu teilten sie sich in Gilden auf, so genannte Tawafas, die jeweils für eine Weltgegend zuständig sind. Schon Großvater und Vater von Abudwahid Safialdeen kümmerten sich um Pilger aus Westafrika. „Das ist das erste Mal, dass ich der Teilnahme am Hadsch beraubt bin und der Ehre, den Gästen Allahs zu dienen“, sagt der 64-Jährige, der seit einem halben Jahrhundert mit dabei ist. Wie Familie Safialdeen leben praktisch alle in Mekka irgendwie vom Hadsch.



Diesmal jedoch durften nur wenige tausend Fromme kommen – das gab es in der modernen Geschichte Saudi-Arabiens noch nie. Vor dem heutigen Hadsch-Auftakt mussten die Auserwählten eine Woche in Quarantäne. Auch in den kommenden Tagen ist Maskentragen Pflicht. Dafür hat die kleine Schar der Gläubigen die Große Moschee dann ganz für sich allein. Den schwarzen Stein der Kabaa dürfen die Beter nur umkreisen, nicht aber küssen und berühren.

Kiesel sterilisiert

Selbst die Kiesel für die symbolische Steinigung des Teufels wurden sterilisiert und in Plastiksäckchen verpackt. In der Zeltstadt bei Mina, fünf Kilometer außerhalb von Mekka, wo die Wallfahrer in der Nacht auf morgen schlafen, sind alle einzeln untergebracht. Höhepunkt am Freitag ist das sogenannte Opferfest („Eid al-Adha“). Die Pilger schlachten Tiere, um an die Geschichte von Abraham und seinem Sohn Isaak zu erinnern, die im Alten Testament und im Koran erzählt wird. Dieser wichtigste Feiertag der Muslime wird weltweit begangen.

Im Nahen Osten gehört Saudi-Arabien nach dem Iran und vor der Türkei zu den Ländern mit den meisten Corona-Infektionen. Für den diesjährigen Mini-Hadsch konnte sich bewerben, wer zwischen 20 und 50 Jahre alt ist und in Saudi-Arabien lebt. Niemand von außen wird ins Land gelassen. Wer ohne Genehmigung in dem heiligen Bezirk angetroffen wird, muss 2500 Euro Strafe zahlen.

Gastarbeiter

30 Prozent der Glücklichen sind Saudis, 70 Prozent leben als Gastarbeiter im Königreich. Einer von ihnen ist Abdullah Al-Kathiri. Der 20-jährige Emirati war selbst an Covid-19 erkrankt und hat die Lungenseuche überlebt. Da er jetzt als immun gilt, blieb ihm die Vorab-Quarantäne erspart. „Ich hatte nicht damit gerechnet, unter Millionen von Muslimen ausgewählt zu werden”, sagte er. „Das ist ein unbeschreibliches Gefühl: mein erster Hadsch – unter solch außergewöhnlichen Umständen.“