Don Giulio Dellavite ist außer Atem. Der Generalsekretär der Diözese Bergamo ist seit einem Monat auf dem Sprung. Die Corona-Epidemie hat die Kleinstadt Bergamo in Norditalien fest im Griff.

Es gibt mehr als 8000 Menschen, die das Virus derzeit in sich tragen, fast 2000 Todesopfer. Ein Albtraum. „Wir bekommen keine Luft“, sagt Dellavite am Telefon. Dellavite, früher fast zehn Jahre lang persönlicher Sekretär des mächtigen Kardinals Giovanni Battista Re im Vatikan, hat so etwas noch nicht erlebt. Im Hintergrund ist die Sirene eines Krankenwagens zu hören.

Epizentrum der Epidemie

Bergamo ist das Epizentrum der Corona-Epidemie in Italien. Und die katholische Kirche ist mittendrin. Die Bilder der Militärlastwagen, die Särge abtransportieren, haben sich eingeprägt. Zuvor lagern die Särge oft noch in den Kirchen. „Dass die Särge mit den Leichnamen in den Kirchen zur Ruhe kommen, ist ein Zeichen des Respekts“, sagt Bergamos Bischof Francesco Beschi zur Kleinen Zeitung.

Ärzte und Pfleger versuchen seit Wochen, gegen die schweren Folgen von Covid-19 anzukämpfen. Aber auch Priester und Ordensschwestern sind im Einsatz. Vor Tagen habe ihn ein Priester angerufen, dessen Vater gestorben sei, berichtet der Bischof. Er selbst und die ganze Familie seien in Quarantäne gewesen. „Es gibt kein Begräbnis. Der Leichnam kommt auf den Friedhof und wird begraben, ohne dass irgendjemand teilnehmen kann“, sagt Beschi. Die Pandemie hat den Menschen in Bergamo sogar die Trauer genommen.

Mindestens 70 Priester gestorben

70 Priester sollen bis jetzt in Italien am Coronavirus gestorben sein, die Zahl dürfte weit untertrieben sein. Ordensangehörige und Schwestern wurden nicht gezählt. Auf der Homepage der Diözese von Bergamo sind 25 Namen von verstorbenen Priestern aufgelistet, dazu überlebten auch 14 Ordensangehörige nicht. Kaum einer sprach von den 15 verstorbenen Ordensschwestern des Istituto Palazzolo bei Bergamo.

Schwester Costantina Ranioli arbeitete als Krankenpflegerin im Krankenhaus. „Sie war immer fröhlich und voller Leidenschaft“, erinnert sich die Ordensobere Carla Fiori. Einen Monat habe Costantina gegen die Krankheit gekämpft, dann sei sie gestorben. Oder Don Fausto Remini, den sie in Bergamo „Armenpriester“ nannten. Der 67-Jährige kümmerte sich aufopferungsvoll um die Inhaftierten im Gefängnis und um Obdachlose. Bevor er am 23. März verstarb, sagte er, er sei müde, aber glücklich, diesen Menschen gedient zu haben.

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Es gibt unzählige Geschichten. Pfarrer Giuseppe Berardelli, der am 16. März im Alter von 72 Jahren starb, erlangte vorübergehend internationale Berühmtheit, weil er trotz Krankheit sein Beatmungsgerät einem jungen Patienten gegeben haben soll. Später wurden die Berichte dementiert. Berührend ist das Zeugnis eines Kapuzinermönchs aus Bergamo, Bruder Aquilino, der bei Beerdigungen dabei sein durfte. Er rief die Angehörigen an, legte sein Handy auf den Sarg, damit sich die Familie verabschieden konnte.

Bischof Beschi hat Angehörige und Ärzte aufgefordert, Todkranke zu segnen, wenn sie das wollen. Denn auch die Priester haben Ausgangsverbot. „Es besteht die Sorge, dass ein Priester bei einem Hausbesuch nicht nur Jesus Christus, sondern auch das Virus bringt“, sagt der Bischof. Seelsorge findet fast nur telefonisch oder online statt. Einige Priester liegen selbst auf der Intensivstation. „Man kann nicht behaupten, sie hätten den Einsatz gescheut“, sagt Beschi.

Das ist auch über die unzähligen Kirchenleute und Laien zu sagen, die Armen in Italien helfen. Besonders kritisch ist die Lage in kirchlichen Heimen. In zwei Frauenklöstern vor den Toren Roms wurden 59 Schwestern positiv auf das Virus getestet. Noch schlimmer sieht es in Parma aus. Alleine im Haus der Missionari Saveriani wurden unter den Ordensleuten 15 Todesopfer gemeldet.