Der Leitartikel unseres Ungarn-Korrespondenten Boris Kálnoky über die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán löste ein großes, gemischtes Echo aus.

Europa schaut zu
Ganz davon abgesehen, dass der Beitrag von Boris Kálnoky ein Konstrukt von aus den Zusammenhängen gerissenen Zitaten und Schilderungen darstellt, mit dem Ziel, Viktor Orbáns unmenschliche Flüchtlingspolitik zu rechtfertigen und ihn als weitsichtigen Landesführer darstellen zu können, kann das aktuelle Flüchtlingsdrama an der griechisch-türkischen Grenze nicht als das Einschwenken der gesamten EU auf Orbáns andauernde Blockade der Einwanderung syrischer Flüchtlinge interpretiert werden.
Die meisten europäischen Länder waren und sind dagegen, Gewalt anzuwenden, werden aber durch die Türkei gezwungen, ein gewisses Maß an Gewalt zuzulassen. Das tut in der Tat sehr weh, denn es geht gegen menschliche Werte. Bitte vergessen Sie nicht, dass die ganze Flüchtlingsproblematik von wenigen Diktatoren und Kriegstreibern, wie Putin, dem Assad-Clan, den arabischen Ländern Iran und Saudi-Arabien, die „ihre“ Stellvertreter-Machtkriege führen, ungehindert ausgelöst und durchgeführt werden konnte und kann. Europa und die ganze Welt schauen zu!
Rüdiger Dahlhäuser, St. Georgen

Kein Maßstab
Ich bin überzeugt, dass weder Europa noch Österreich in die Fußstapfen eines Viktor Orbán getreten ist oder je treten wird. Der menschenverachtende, die Menschenrechte und Europas Werte mit Füßen tretende Orbán soll in einer Zeitung, die christlich-soziale Werte hochhält, nicht als Maßstab dienen.
Karl-Heinz Müller, Fohnsdorf

Politische Geiselhaft
Ich schätze Kálnokys Analyse durchaus, sie weist aber meiner Meinung nach zumindest einen erheblichen Mangel auf: Es fehlt der Hinweis, dass Orbán jeden ernsthaften Versuch verhindert hat, das Problem zumindest teilweise zu entschärfen, weil ihm die daraus mögliche Agitation politisch nützt bzw. nützen konnte. Mit ihm versagte am Ende ganz Europa, da sie sich von ihm und seinesgleichen dank der europäischen Verfasstheit in politische Geiselhaft nehmen ließ. Davon kann man nicht einmal unsere Bundesregierung und insbesondere den Bundeskanzler ausnehmen.
Prof. Benedek erinnert daran, dass die Genfer Flüchtlingskonvention nach dem Krieg geschaffen wurde, um genau ein solches Ereignis – Schließen der Grenzen gegenüber Flüchtenden – zu verhindern und das in einem völkerrechtlichen Vertrag und in den Menschenrechten zu verankern, um sicherzustellen, dass dagegen nicht mehr verstoßen werden kann. Leider ist die Verletzung des Völkerrechts weitgehend sanktionslos, und das Gefühl, ein „Gesetzloser“ in der internationalen Gemeinschaft zu sein, weil „Pacta servanda sunt“, ist in der immer breiter werdenden Gesellschaft von Völkerrechtsbrechern offensichtlich leicht zu ertragen.
Natürlich hätte es auch andere Strategien gegeben, aber wenn das implizite Ziel ist, das „Australien-Modell“ (kein Signatar der Genfer Konvention) zu implementieren, dann sind diese in einer Organisation, die an Einstimmigkeit gebunden ist, leider von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Und die Orbáns, Salvinis und Kaczynskis und eben auch Kurz haben innerhalb dieser Union nunmehr genau das erreicht. Der Applaus einer verunsicherten Bevölkerung ist ihnen sicher.
Dass kürzlich nun auch der EGMR ein mehr als nur befremdliches Urteil zu diesem Thema gefällt hat – das wohl erst von Fachleuten analysiert werden muss, aber einige radikale Maßnahmen zur Verhinderung einer Asylantragstellung zu legitimieren scheint –, passt da in das Bild einer Gesellschaft, die nicht mehr von christlichen Dogmen und Humanitas als Grundwerten ausgeht.
Ing. Herbert Wancura, Graz

Populismus
Dass man einem Autor Platz für einen Leitartikel einräumt, der Orbáns Migrationspolitik, die keine ist, rechtfertigt, macht betroffen. Egal, welche politische Meinung man vertritt, wenn Medien beginnen, populistische Staatsoberhäupter, die undemokratisch agieren und gegen die Menschenrechte verstoßen, mit Raum für Leitartikel zu unterstützen, stärken Sie rechten Populismus und verhelfen ihm somit zu scheinbar salonfähiger Argumentation!
Mag. Manuela Trachmann-
Sereinig, Klagenfurt


Christliche Werte?
Orbán hat Europa also „einen intellektuellen Dienst erwiesen“. Ein antieuropäischer, antisemitischer Möchtegern-Autokrat als Vorbild für die EU? Weil heute nicht nur in Ungarn Flüchtlinge und Migranten verprügelt, mit Tränengas beschossen und ihrer grundlegenden Menschenrechte beraubt werden, sondern auch in Kroatien, in Griechenland, Italien usw., „lag Orbán richtig“? Sind das die europäischen und christlichen Werte, von denen wir immer reden und die es zu verteidigen gilt?
Christian Köpf, Graz