Mehrere Ausschüsse des Repräsentantenhauses forderten Außenminister Mike Pompeo am Freitag verbindlich auf, Unterlagen zur Ukraine-Affäre binnen einer Woche herauszugeben. Außerdem setzten sie Termine zur Befragung von fünf hochrangigen Diplomaten an. Einer von ihnen, der US-Sondergesandte für die Ukraine, Kurt Volker, trat daraufhin zurück.
Die Ausschüsse für Auswärtige und Geheimdienst-Angelegenheiten sowie für Regierungsaufsicht stellten gemeinsam eine sogenannte Subpoena, also eine rechtlich verbindliche Aufforderung, für Pompeo aus. Sollte der Minister das angeforderte Material nicht binnen einer Woche aushändigen, würde dies "eine Behinderung der Ermittlungen" des Repräsentantenhauses belegen, hieß es in dem Schreiben der Ausschussvorsitzenden.
Nationale Sicherheit aufs Spiel gesetzt?
Es gehe darum zu ermitteln, inwieweit Trump "die nationale Sicherheit aufs Spiel gesetzt" habe, indem er in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn Hunter forderte. Trump ist wegen der Enthüllungen über das brisante Telefonat massiv unter Druck geraten und steht im Verdacht des Amtsmissbrauchs. Die Demokraten kündigten daher eine offizielle Untersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren an.
Trump hatte Selenskyj in dem Telefongespräch Ende Juli gedrängt, die ukrainischen Behörden sollten Ermittlungen gegen Biden und dessen Sohn Hunter aufnehmen. Biden könnte bei der Präsidentenwahl im November 2020 für die Demokraten gegen Trump antreten.
Die drei Ausschussvorsitzenden wollen in der Angelegenheit unter anderem die frühere US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, befragen. Berichten zufolge soll Trump sie aus dem Amt gedrängt haben, weil sie sich weigerte, wegen Biden Druck auf Kiew auszuüben.
Die demokratische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, erklärte am Freitag: "Der Präsident hat seinen Amtseid gebrochen, unsere nationale Sicherheit und die Integrität unserer Wahlen gefährdet." Dies lasse den Demokraten "keine andere Wahl", als das Amtsenthebungsverfahren voranzutreiben.
"Diese Leute sind krank"
Die Abstimmungen über eine Amtsenthebung im Repräsentantenhaus könnten nach Angaben von Demokraten binnen eines Monats vorbereitet werden. Derzeit ist es aber unwahrscheinlich, dass der Senat, in dem Trumps Republikaner in der Mehrheit sind, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten unterstützt.
Trump ist jedoch offenbar alarmiert. "Wir befinden uns im Krieg. Diese Leute sind krank", sagte Trump laut heimlich gedrehten Videoaufnahmen bei einem Treffen mit US-Diplomaten am Donnerstag, die am Freitag von der Nachrichtenagentur Bloomberg veröffentlicht wurden.
Das Telefonat zwischen Trump und Selenskyj war durch die interne Beschwerde eines anonymen Geheimdienstmitarbeiters öffentlich geworden. Der Informant warf dem Weißen Haus darüber hinaus Vertuschungsversuche vor: Mitarbeiter des US-Präsidenten sollen versucht haben, "alle Aufzeichnungen" über das Gespräch unter Verschluss zu halten.
Aus der am Donnerstag veröffentlichten Beschwerde geht außerdem hervor, dass der US-Sondergesandte hochrangige ukrainische Regierungsvertreter getroffen habe, um zu klären, wie Trumps Forderungen an Selenskyj zu "steuern" seien. Aus mit der Angelegenheit vertrauten Kreisen hieß es am Freitag, Volker habe am Freitag seinen Rücktritt eingereicht, nachdem er für kommenden Donnerstag zur Befragung für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump vorgeladen worden sei.
Keine Protokolle mit Putin veröffentlichen
Der russische Außenminister Sergej Lawrow drängte die US-Regierung unterdessen indirekt, keine Protokolle von Gesprächen zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu veröffentlichen. "Für zwei Menschen, die von ihren Nationen ans Ruder gewählt wurden, gibt es diplomatische Gepflogenheiten, die ein gewisses Maß an Vertraulichkeit voraussetzen", sagte Lawrow am Rande der UNO-Generaldebatte in New York.
Im Zentrum der Vorwürfe steht ein umstrittenes Telefonat Trumps mit Selenskyj Ende Juli, in dem der US-Präsident seinen Amtskollegen zu Ermittlungen ermunterte, die seinem politischen Rivalen Biden schaden könnten. Dabei geht es um frühere Geschäfte von Bidens Sohn Hunter in der Ukraine und angebliche Bemühungen, seinen Sprössling vor der ukrainischen Justiz zu schützen. Biden liegt im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur für die Wahl 2020 vorne.
Im Rahmen seiner Arbeit will der Whistleblower Informationen mehrerer Regierungsmitarbeiter erhalten haben, wonach der US-Präsident "die Macht seines Amtes nutzt", um zu erreichen, dass sich ein anderes Land zu seinen Gunsten in die US-Wahl 2020 einmischt. Der Republikaner Trump weist alle Vorwürfe zurück.
Der Whistleblower beschuldigte das Weiße Haus mit Blick auf das Ukraine-Telefonat auch der Vertuschung: Führende Regierungsmitarbeiter hätten sich bemüht, die genaue Wortlautfassung des Gesprächs unter der Decke zu halten. Wie üblich sei ein elektronisches Wortlaut-Protokoll angefertigt worden. Dies sei nach dem Gespräch auf Anweisung von Juristen aus dem Weißen Haus aber aus einer dafür gewöhnlich vorgesehenen Datenbank entfernt und stattdessen in einem besonders geschützten System gespeichert worden. Bisher wurde nur ein grobes Gesprächsprotokoll veröffentlicht.
Die Identität des Hinweisgebers ist nicht öffentlich bekannt. Die "New York Times" berichtete, es solle sich um einen Mitarbeiter des Auslandsgeheimdienstes CIA handeln.
Glaubwürdigkeit der Quelle in Frage gestellt
Trump stellte am Freitag erneut die Glaubwürdigkeit der Quelle in Frage. In einer Serie von Tweets zu dem Thema schrieb der Präsident unter anderem, der "sogenannte Whistleblower" habe Informationen aus zweiter Hand verbreitet, die sich als unzutreffend herausgestellt hätten. Daher gebe es vielleicht gar keine Tippgeber oder Spione.
Im Repräsentantenhaus laufen bereits seit Monaten in verschiedenen Ausschüssen diverse Untersuchungen gegen Trump und dessen Umfeld. Angesichts der Ukraine-Vorwürfe treiben die Demokraten nun Ermittlungen mit neuer Wucht voran, um ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump in Gang zu setzen.
"Der Whistleblower hat uns einen Fahrplan für unsere Untersuchung gegeben", sagte der Chef des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff. Trump griff Schiff scharf an, warf ihm eine falsche Darstellung der Dinge vor und forderte erneut den Rücktritt des Ausschussvorsitzenden. Trump beschimpft Schiff regelmäßig und hatte bereits vor Monaten dessen Rückzug verlangt.
Für das weitere Prozedere gibt es keinen genauen Zeitplan. Mit ihrer Mehrheit im Repräsentantenhaus könnten die Demokraten ein sogenanntes Impeachment-Verfahren zwar anstrengen. Die Entscheidung über eine tatsächliche Amtsenthebung fiele aber im Senat, wo Trumps Republikaner die Mehrheit haben. Die Aussichten auf Erfolg eines solchen Verfahrens sind daher gering. Bisher wurde noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben.