US-Präsident Donald Trump hat in einem Telefongespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj Ermittlungen angeregt, die seinem politischen Rivalen Joe Biden schaden könnten. Das geht aus einer am Mittwoch vom Weißen Haus veröffentlichten Abschrift des Gesprächs vom 25. Juli hervor.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski hat sich in dem vieldiskutierten Telefonat im Juli nach eigenen Angaben nicht von US-Präsident Donald Trump unter Druck gesetzt gefühlt. Es sei ein „normales“ Gespräch gewesen, sagte Selenski Mittwochabend in New York am Rande der UNO-Vollversammlung. Kurz zuvor hatte das Weiße Haus ein Protokoll des Telefongesprächs vom 25. Juli veröffentlicht.

Bei Trumps Erwähnung von Biden geht es in dem Telefonat mit Selenski um frühere Geschäfte von Bidens Sohn in der Ukraine. Biden soll seinen Sohn damals als Vizepräsident vor Korruptionsermittlungen geschützt haben, indem er die Entlassung eines Staatsanwalts veranlasste. In dem Telefonat mit Selenskyj sagte Trump, es wäre gut, "wenn sie das prüfen könnten ... es klingt für mich schrecklich". Biden weist die Vorwürfe als gegenstandslos zurück. Trump wird zudem vorgeworfen, die Freigabe von US-Militärhilfen an die Ukraine an die Lieferung von belastendem Material über Hunter Biden, den Sohn seines demokratischen Rivalen, geknüpft zu haben.

Trump selbst dementiert, Druck auf seinen ukrainischen Amtskollegen ausgeübt zu haben. "Es gab keinen Druck", sagte Trump am Mittwoch am Rande der UN-Vollversammlung in New York vor Reportern. Trump stellte sich erneut als Opfer dar. "Es ist die größte Hegenjagd in der amerikanischen Geschichte", sagte der US-Präsident.

Ein Überblick über die undurchsichtigen Anschuldigungen:

Die handelnden Personen:

DONALD TRUMP

Trump soll den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat im Juli mehrfach aufgefordert haben, Ermittlungen einzuleiten, die seinem Rivalen Joe Biden schaden könnten - im Zusammenhang mit Geschäften von dessen Sohn Hunter in der Ukraine. Im Gegenzug soll Trump Selenskyj ein unangemessenes "Versprechen" gegeben haben, zu dessen Inhalt allerdings nichts bekannt ist. US-Medien zufolge hatte Trump kurz vor dem Telefonat angeordnet, bereits zugesagte Hilfen von rund 400 Millionen US-Dollar für die Ukraine zunächst zurückzuhalten. Die US-Demokraten sehen darin einen möglichen Fall von Amtsmissbrauch und versuchter Beeinflussung der Präsidentschaftswahl. Trump hat die Anschuldigungen zurückgewiesen und wiederum Biden und dessen Sohn als korrupt bezeichnet.

HUNTER BIDEN

Konkret geht es bei den Vorwürfen um das Engagement von Hunter Biden bei dem in der Ukraine tätigen Erdgas-Unternehmen Burisma. Der heute 49 Jahre alte Jurist saß ab dem Frühjahr 2014 im Aufsichtsrat des wichtigen Gasförderers in der Ex-Sowjetrepublik - also unmittelbar nach dem gewaltsamen Machtwechsel in Kiew. Damals hatte der reiche Unternehmer Petro Poroschenko nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch die Wahl gewonnen. Burisma gehört einem ukrainischen Oligarchen und hat seinen steuerlichen Sitz auf Zypern. Der Jurist Biden soll ein Gehalt von bis zu 50.000 Dollar pro Monat erhalten haben. Wenige Zeit später wurde gegen den Gaskonzern wegen angeblicher undurchsichtiger Geschäfte ermittelt. Der Fall wurde jedoch 2016 wieder geschlossen. Kurz darauf wurde auch der Generalstaatsanwalt der Ukraine von seinem Posten entfernt.

JOE BIDEN

Trump wirft Biden vor, die Ukraine in dessen Amtszeit als US- Vizepräsident unter Druck gesetzt zu haben, um Korruptionsermittlungen gegen seinen Sohn zu verhindern. Joe Biden weist die Vorwürfe zurück. Offiziell hieß es in Kiew damals, die Entlassung des Generalstaatsanwalts habe nichts mit dem Burisma-Fall zu tun gehabt - Belege für das Gegenteil gab es nie. Allerdings hatten auch andere westliche Regierungen die Ablösung des Generalstaatsanwalts gefordert. Der Vorwurf lautete, er sei selbst korrupt.

Warum eine Amtsenthebung nicht so leicht ist:

Die Hürden für eine Amtsenthebung des US-Präsidenten sind sehr hoch. Der amerikanischen Verfassung zufolge kann ein Präsident nur von einer Mehrheit beider Parlamentskammern des Kongresses des Amtes enthoben werden. Als Gründe dafür nennt die Verfassung "Verrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen" - eine nähere Definition gibt es nicht.

Das Impeachment-Verfahren wurde von den Vätern der US-Verfassung geschaffen, um Machtmissbrauch einen Riegel vorzuschieben. Schließlich waren die Vereinigten Staaten von Amerika durch eine Rebellion gegen den sich über dem Gesetz wähnenden britischen Monarchen entstanden. Bisher ist noch kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben worden.

Eigentlich bezeichnet das Impeachment lediglich die Anklageerhebung durch das Repräsentantenhaus. Dort werden zunächst im Justizausschuss erste Schritte eingeleitet. Später verabschiedet die gesamte Kammer mit einfacher Mehrheit eine Liste von Anklagepunkten und leitet sie an den Senat weiter, dem die Funktion eines Gerichts zukommt. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs leitet das Verfahren, einer Verurteilung müssten am Ende zwei Drittel der anwesenden Senatoren zustimmen. Nach Angaben des Senats ist keine Berufung vorgesehen.

Demokraten haben die Mehrheit im Repräsentantenhaus

Weil die oppositionellen Demokraten im Repräsentantenhaus eine Mehrheit von 235 der 435 Sitze haben, könnten sie das Amtsenthebungsverfahren im Alleingang einleiten. Im Senat haben Trumps Republikaner 53 der 100 Sitze. Die 45 Demokraten bräuchten somit - neben der Unterstützung der beiden unabhängigen Senatoren - die stimmen von 20 Republikanern, um Trump zu verurteilen. Sollte Trump abgesetzt werden, würde sein Vize Mike Pence bis zum 20. Jänner 2021 den Posten des US-Präsidenten einnehmen.

Clintons "Lewinskygate"

Zuletzt musste sich der Demokrat Bill Clinton 1999 wegen einer Lüge über seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky einem Verfahren stellen. Der Senat sprach ihn jedoch von den Vorwürfen des Meineides und der Behinderung der Justiz frei. Im Jahr 1868 wurde der Demokrat Andrew Johnson ebenfalls angeklagt, aber nicht abgesetzt. Die Absetzung scheiterte dem Vernehmen nach aber nur deswegen, weil die Senatoren eine Amtsübernahme durch den radikalen Senatspräsidenten Benjamin Wade verhindern wollten. Im Jahr 1974 kam der Republikaner Richard Nixon seiner drohenden Absetzung in der Watergate-Affäre durch Rücktritt zuvor.

Eigenes Kabinett könnte Präsidenten absetzen

Abgesehen vom Impeachment sieht die US-Verfassung noch ein weiteres Verfahren vor, den Präsidenten abzusetzen. Nach dem 25. Verfassungszusatz kann der Präsident von seinem eigenen Kabinett abgesetzt werden. Dazu müssen der Vizepräsident und eine Mehrheit der Regierungsmitglieder formell feststellen, dass der Präsident nicht mehr in der Lage ist, sein Amt auszuüben, etwa aufgrund einer schweren gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigung.