Die Lage in Hongkong wird aus Sicht einer China-Expertin immer brisanter. Kristin Shi-Kupfer, Leiterin des Forschungsbereichs Politik, Gesellschaft und Medien beim Institut Merics in Berlin sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die chinesische Regierung setzt nahezu ausschließlich auf psychologische Kriegsführung und Abschreckung, um die Proteste zum Erliegen zu bringen."

Durch die propagandistische Eskalation ihres Drohpotenzials manövriere sich die chinesische Führung - auch gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung - zunehmend in eine Lage, in der sie zu einem härteren Durchgreifen gezwungen sei. Denn es gebe noch immer eine große Zahl von Demonstranten, "die gewillt sind, die Proteste - notfalls auch mit radikaleren Mitteln - fortzusetzen", sagte Shi-Kupfer.

Nach wochenlangen Protesten gegen die Regierung ist es in der Nacht auf Mittwoch in Hongkong erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Zunächst hatten sich die Proteste gegen ein umstrittenes Auslieferungsgesetz gerichtet, das inzwischen auf Eis gelegt wurde. Mittlerweile haben sie sich zu einer breiteren Bewegung ausgeweitet.

Nach Shi-Kupfer versuche die chinesische Regierung einen brisanten Balanceakt: Einerseits wolle sie Bilder eines massiven Einsatzes der chinesischen Militärpolizei oder gar der chinesischen Volksbefreiungsarmee vermeiden. Andererseits wolle Peking auch ein deutliches Signal senden, dass sie zu keinerlei Kompromissen bereit sei, welche Pekings Hoheitsanspruch auf Hongkong infrage stellen könnten.

Die aus chinesischer Sicht einzige akzeptable, friedliche Lösung sei, dass sich die Protestierenden als Reaktion auf die Drohgebärden zurückziehen oder dass die Proteste abebben und sich dann auflösen.