Großbritannien hat sich in den Konflikt um das umstrittene Auslieferungsgesetz in seiner früheren Kronkolonie Hongkong eingeschaltet. Außenminister Jeremy Hunt hat die Regierung in Hongkong aufgerufen, eine "Pause" einzulegen und "über diese kontroversiellen Maßnahmen nachzudenken". Es sei wesentlich, dass die Behörden Schritte setzen, die Rechte und Freiheiten in Hongkong zu erhalten.

Hongkong müsse sein hohes Ausmaß an Autonomie beibehalten, betonte Hunt. Eine Aufrechterhaltung des Prinzips "Ein Land, zwei Systeme" sei wesentlich für den Erfolg des im Jahr 1997 von Großbritannien an China zurückgegebenen Gebiets, das seitdem eine "Sonderverwaltungszone" ist. Im Übergabevertrag war vereinbart worden, dass in Hongkong noch 50 Jahre lang westliche Freiheiten und Rechte gelten werden, anders als in der kommunistischen Ein-Parteien-Diktatur China.

Millionen von Menschen in Hongkong protestieren gegen ein Gesetz, das Auslieferungen an China ermöglichen soll. Ungeachtet des massiven Widerstandes unter den sieben Millionen Bewohnern der chinesischen Sonderverwaltungsregion will die umstrittene, Peking-nahe Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz schnell von der Peking-treuen Mehrheit im nicht frei gewählten Legislativrat absegnen lassen.

Erneut Ausschreitungen

Bei den Protesten gegen das umstrittene Auslieferungsgesetz in Hongkong ist es am Mittwoch erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Polizisten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten ein, die versuchten, zum Parlamentsgebäude der chinesischen Sonderverwaltungszone zu gelangen.

Die Zusammenstöße begannen am Nachmittag kurz nach 15.00 Uhr (Ortszeit, 09.00 Uhr MESZ). Die Demonstranten hatten den Behörden bis dahin Zeit gegeben, das geplante Gesetz, das Auslieferungen auch an das chinesische Festland ermöglichen würde, zurückzuziehen. Am Mittwoch wurde zunächst aber nur die zweite parlamentarische Lesung des Gesetzentwurfs im Hongkonger Legislativrat verschoben.

Verkehrsadern blockiert

Zehntausende Menschen hatten vor der geplanten Parlamentssitzung wichtige Verkehrsadern und das Regierungsviertel in Hongkong blockiert. Am Nachmittag versuchten Demonstranten, die sich mit Helmen und Regenschirmen schützten, näher an die Polizeiabsperrungen am Legislativrat heranzukommen. Sie bewarfen die Polizisten auch mit Wurfgeschossen. Daraufhin setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke ein.

Gegen das geplante Gesetz hatten am Sonntag in Hongkong bereits Hunderttausende Menschen demonstriert. Die Organisatoren sprachen von mehr als einer Million Teilnehmern. Es war die größte Demonstration seit der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China im Jahr 1997.

Die Peking-nahe Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, kündigte aber an, an dem Gesetzesvorhaben festzuhalten. Verwaltungschef Matthew Cheung verlangte am Mittwoch ein Ende der Straßenblockaden. Er forderte die Demonstranten in einer Video-Botschaft auf, "so viel Zurückhaltung wie möglich zu zeigen", die Demonstration "friedlich" aufzulösen und sich "nicht über das Gesetz hinwegzusetzen".

Kein Vertrauen in Zusage

Bisher hatte Hongkong von Auslieferungen an das chinesische Festland Abstand genommen, weil das chinesische Justizsystem wenig transparent und die Verhängung der Todesstrafe weit verbreitet ist. Außerdem sind schwere Repressalien gegen politische unliebsame Personen an der Tagesordnung. Die Regierung der Sonderverwaltungszone beteuert zwar, dass China-Kritiker nicht ausgeliefert werden sollen. Viele Menschen in Hongkong trauen diesen Zusagen aber nicht.

Bei der Rückgabe durch Großbritannien hatte Peking Hongkong unter der Formel "Ein Land, zwei Systeme" für 50 Jahre weitreichende innere Autonomie zugesagt. In Hongkong gelten daher Grundrechte, die den Bürgern der Volksrepublik vorenthalten werden, etwa Meinungs- und Pressefreiheit. Die Opposition wirft Peking jedoch vor, sich zunehmend in Hongkongs Angelegenheiten einzumischen und damit die Autonomievereinbarungen auszuhöhlen.