Im Konflikt mit dem Militärrat hat die Protestbewegung im Sudan ab Sonntag zu einem landesweiten "zivilen Ungehorsam" aufgerufen. "Die Bewegung des zivilen Ungehorsams wird am Sonntag beginnen und erst dann enden, wenn eine zivile Regierung selbst im Staatsfernsehen ankündigt, dass sie an der Macht ist", erklärte der Berufsverband SPA, der die Proteste in dem Land anführt, am Samstag.

Die SPA bezeichnete die Protestform des zivilen Ungehorsams als "friedlichen Akt", um die übermächtige Armee "in die Knie zu zwingen". Ende Mai hatte es die Protestbewegung bereits mit einem zweitägigen Generalstreik versucht.

Welche Formen und Ausmaße ein ziviler Ungehorsam annehmen würde, war unklar, denn zumindest in Khartum herrschte am Samstag in vielen Vierteln Leere. Menschenleere Straßen und geschlossene Geschäfte prägten das Bild in der Hauptstadt am letzten Ferientag zum Ende des Fastenmonats Ramadan.

Der Aufruf der Protestbewegung kam einen Tag nach einer Vermittlungsmission des äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed in Khartum. Abiy hatte einen schnellen demokratischen Übergang im Sudan gefordert. Er traf sich zu getrennten Gesprächen mit Vertretern des Militärrats und der Protestbewegung.

Der Militärrat hatte nach dem Sturz des langjährigen Staatschefs Omar al-Bashirs infolge von monatelangen Massenprotesten im April die Führung übernommen. Mit dem Rat einigte sich die Protestbewegung Mitte Mai grundsätzlich darauf, dass ein gemeinsamer Übergangsrat die Geschicke des Landes in den kommenden drei Jahren lenken soll. Seither herrschte aber Streit darüber, welche Seite dieses Gremium führen soll.

Nach wochenlangen Verhandlungen zwischen den regierenden Generälen und der Protestbewegung hatte die Armee am Montag mit der Auflösung des zentralen Protestlagers vor dem Armeehauptquartier in der Hauptstadt Khartum begonnen. Nach Angaben des oppositionsnahen Zentralkomitees sudanesischer Ärzte starben seitdem mehr als hundert Menschen. Das Geheimdienstministerium räumte den Tod von 61 Menschen ein, darunter rund 50 erschossene Zivilisten.