Als Vermittler zwischen den beiden dominanten Parteichefs seiner Regierungskoalition hat Italiens Premier Giuseppe Conte stets die Rolle des Feuerwehrmanns gespielt. Doch auch der geduldige Rechtsanwalt hat es nach monatelangen Streitereien satt. Am Montagabend ging Conte in die Offensive und drohte mit seinem Rücktritt, sollten die Regierungskräfte nicht wieder vernünftig zusammenarbeiten.

Die Botschaft an seine einflussreichen Vizepremiers - Lega-Chef Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio - hätte nicht klarer sein können. Nach monatelangem zermürbendem Wahlkampf, in denen sich die Regierungsparteien nicht als Verbündete, sondern als erbitterte Feinde gegenüber standen, stellte Conte ein Ultimatum. Entweder die Koalition finde ihren Zusammenhalt wieder oder er werde zurücktreten, drohte er. Die ständigen Streitereien und die gegenseitigen Angriffe in den Medien müssten nun endlich ein Ende haben. "Ich bin keiner, der rumhängt, ohne etwas zu tun", sagte er bei einer Pressekonferenz im Regierungssitz Palazzo Chigi in Rom.

Unterschiedliche Werte

Der parteilose Conte, der von den Fünf Sternen für den Premierposten vorgeschlagen worden war, räumte ein, dass die beiden Regierungsparteien unterschiedliche Programme und Werte vertreten. Der vor über einem Jahr abgeschlossene Koalitionsvertrag bilde jedoch die Grundlage für die Fortsetzung des gemeinsamen Wegs. Denn Italien dürfe keine Zeit mehr verlieren, lautet Contes Mantra. Das Land stehe vor entscheidenden Terminen. Am Mittwoch steht eine wichtige Entscheidung der EU-Kommission wegen der hohen Staatsverschuldung Italiens bevor. Das Land müsse wichtige Beschlüsse in Sachen Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Steuersenkung fassen, so Conte.

Entweder die Parteien würden zur Kooperationsbereitschaft zurückfinden, die vor einem Jahr zur Entstehung der "Regierung des Wandels" geführt habe, oder der gemeinsame Weg sei zu Ende. Conte warnte die Parteien davor, das Vertrauenskapital nicht zu verschwenden, das die Italiener in die Regierung investiert hätten. Obwohl sich bei den EU-Wahlen die Machtverhältnisse in der Regierungskoalition zugunsten der Lega verschoben hätten, sei die Popularität der gesamten Regierung, die am Samstag ihren ersten Geburtstag feierte, immer noch besonders hoch, unterstrich der Regierungschef.

Klartext des diplomatischen Conte

Klarer hätte der diplomatische Conte an die Nation und an seine turbulenten Vizepremiers nicht sprechen können. Noch nie hatte der redegewandte parteilose Rechtsanwalt derart auf den Tisch gehaut. Obwohl ihn Medien oft nur als "Marionette" seiner beiden mächtigen Vizes darstellen, ist der Jurist mit seiner ausgleichenden Art bei den Italienern mittlerweile sehr beliebt. Mit seinem Ultimatum dürfte er sich auch in den Augen der Wählerschaft Respekt verschafft haben.

Wie geht es nun mit der Regierung in Rom weiter? Genügt Contes Appell, um die streitsüchtigen Partner wieder auf die gerade Bahn zu bringen? Beide Parteien reagierten sofort auf den Appell des Premiers. Salvini versicherte umgehend auf Facebook, die Lega bliebe dem Kabinett treu und wolle die Regierungsarbeit fortsetzen, listete dabei aber zugleich alle Forderungen auf, denen die Cinque Stelle zum Teil skeptisch gegenüber stehen. Zu den umstrittensten Themen zählt die Flat Tax von 15 Prozent für Einkommen unter 50.000 Euro, mehr Autonomie für einige Regionen Norditaliens und Infrastrukturprojekte. Salvinis Reaktion gilt nicht als ideale Prämisse zur Fortsetzung der Zusammenarbeit.

Gipfeltreffen noch diese Woche

Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio drängt zu einem koalitionsinternen Gipfeltreffen noch in dieser Woche, um die weitere Regierungsstrategie zu bestimmen. Denn jetzt gehe es darum, "Phase zwei" der Regierungsarbeit einzuleiten.

Ob es Conte schafft, die beiden turbulenten Verbündeten wieder zur Vernunft und Kooperation zu bewegen, werden die nächsten Tage zeigen. Fest steht, dass die Regierung keine Zeit zu verlieren hat, weil sie in den vergangenen Monaten bereits zu viel Zeit verschwendet hat. Der Wahlkampf hat die Regierungstätigkeit lahmgelegt. Unzählige Dekrete warten im Parlament darauf, verabschiedet zu werden. Das Damoklesschwert eines EU-Defizitverfahrens wegen der hohen Verschuldung, der stagnierenden Wirtschaft und der Gefahr, dass Italien zur Defiziteindämmung zur Erhöhung der Mehrwertsteuer gezwungen werden könnte, belastet das Land.

Die Opposition forderte dagegen den Rücktritt der Regierung. Die Populistenregierung sei gescheitert und solle abtreten, bevor sie Italien in den Abgrund reißt, forderten die Sozialdemokraten (PD). Ihr Parteichef Nicola Zingaretti drängte Conte, sich im Parlament einer Vertrauensabstimmung zu unterziehen, um festzustellen, ob er überhaupt noch über eine Mehrheit verfügt. Ex-Premier Matteo Renzi kritisierte Conte als Premier, der nichts zähle, nichts entscheide und nicht regieren könne.