Der Chef der Brexit-Partei in Großbritannien,Nigel Farage, platzte beinahe vor Selbstbewusstsein. Das Establishment sei nicht geängstigt, rief er bei einem Wahlkampfauftritt kurz vor der Europawahl vor Tausenden Anhängern in London. "Sie sind komplett in Schrecken versetzt."
Die Umfragen für die Wahl am Donnerstag dieser Woche sagten einen beispiellosen Triumph für die vor wenigen Monaten gegründete Brexit-Partei voraus. Bis zu 38 Prozent der Stimmen könne Farage demnach ergattern. Der gilt zwar als brillanter Wahlkämpfer, hat aber außer dem EU-Austritt Großbritanniens kein wirkliches Thema, geschweige denn ein Wahlprogramm.
Britische Regierung in Auflösung begriffen
Die britische Regierung ist durch das Chaos um den EU-Austritt in Auflösung begriffen. Am Abend vor der Wahl sah es so aus, als könnte Premierministerin Theresa May jeden Moment zurücktreten. Für die konservative Regierungschefin ist die bloße Teilnahme Großbritanniens an der Wahl zum EU-Parlament das Eingeständnis einer Niederlage.
Eigentlich hätte das Land bereits am 29. März aus der EU austreten sollen. Doch die Regierungschefin scheiterte drei Mal mit ihrem Austrittsabkommen im Parlament, das sie mit Brüssel ausgehandelt hatte. Die Frist für den Austritt wurde deshalb bis zum 31. Oktober verlängert.
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Auch die Liberaldemokraten und die Grünen, die sich gegen den EU-Austritt aussprechen, erlebten in den Umfragen wahre Höhenflüge. Die Wähler scheinen die Gelegenheit nutzen zu wollen, um die beiden großen Parteien, Konservative und Labour, für das Chaos um den EU-Austritt abzustrafen. Bei den Tories von Premierministerin May scheint sogar ein einstelliges Ergebnis nicht ausgeschlossen.
Vor Mays Rücktritt
Sollte May tatsächlich bald zurücktreten und eine Parlamentswahl in Großbritannien anstehen, dürften die Konservativen noch stärker als bisher zur Partei der Brexit-Befürworter mutieren. Einem Brexit-Hardliner wie Ex-Außenminister Boris Johnson an der Spitze wäre es schließlich weit eher zuzutrauen, Wähler von Farage zurückzugewinnen als einem Gegner des EU-Austritts.
Auch in den Niederlanden, wo ebenfalls am Donnerstag gewählt wurde, mischen Europaskeptiker aus dem rechten Parteienspektrum die politische Landschaft auf. Mit Spannung wird dort das Abschneiden von Shooting-Star Thierry Baudet und seinem Forum für Demokratie (FvD) erwartet. Die Partei hatte im März erst überraschend die Provinzwahlen gewonnen und fordert ein Referendum über die niederländische EU-Mitgliedschaft - bei der letzten Wahl zum Europaparlament gab es die Partei noch gar nicht.
Rechtspartei FvD in den Niederlanden vorne
Die letzten Umfragen sahen in den Niederlanden die Rechtspartei FvD und die konservativ-liberale VVD von Ministerpräsident Mark Rutte gleichauf an der Spitze mit jeweils 15 Prozent. Auch für Rutte, der vor eineinhalb Jahren zum dritten Mal als Ministerpräsident antrat, ist die Wahl ein wichtiger Stimmungstest. Ihm werden in der Gerüchteküche der EU sowohl Chancen auf den Posten des Kommissionschefs als auch auf die Nachfolge von EU-Ratspräsident Donald Tusk nachgesagt. Er selbst dementierte jedoch bislang. Außerdem könnte sein Wechsel nach Brüssel mitten in der laufenden Regierungsperiode seine mit knapper Mehrheit regierende Koalition aus vier Parteien in Gefahr bringen.
Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten für das Amt des Kommissionschefs, Frans Timmermans, rangierte in den jüngsten Umfragen mit seiner Partij van de Arbeid (PvdA) mit 13 Prozent lediglich auf Rang drei.
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Weber könnte EU-Kommissionschef werden
Der Wahlausgang entscheidet nicht nur über die Sitzverteilung im EU-Parlament und die Chancen des Deutschen Manfred Weberauf den Posten des EU-Kommissionschefs. Es geht auch darum, wie die Große Koalition in Berlin weiter zusammenarbeitet.
Der Sprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte, die Europawahl sei "die größte grenzüberschreitende Wahl auf dem Planeten und eine Chance, über unsere Zukunft zu entscheiden".
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