Den noch nicht endgültigen Ergebnissen vom Sonntag zufolge konnte sich die Koalition von Premierminister Scott Morrison zwar einen klaren Sieg sichern, unklar war aber zunächst, ob der Vorsprung für eine Mehrheitsregierung reicht.

Bill Shorten, Vorsitzender der oppositionellen Labor-Partei, räumte seine Niederlage ein und erklärte seinen Rücktritt. Premierminister Morrison sprach angesichts des unerwarteten Siegs von einem "Wunder". Er hatte das Amt des Regierungschefs erst im August nach einem parteiinternen Putsch gegen seinen Amtsvorgänger Malcolm Turnbull übernommen.

Die von der Wahlkommission am Sonntag veröffentlichen vorläufigen Ergebnisse zeigten, dass Morrisons Liberalen fünf der 76 nötigen Sitze für eine Parlamentsmehrheit fehlen. Offen ist, ob Morrisons Liberale Partei und die Nationale Partei allein weiter regieren können oder ob sie im Parlament Unterstützung von unabhängigen Abgeordneten brauchen. Mindestens vier Mandate gingen an unabhängige Kandidaten. Falls das Mitte-Rechts-Bündnis keine eigene Mehrheit zustande bekommt, wäre auch eine Minderheitsregierung möglich, die von Unabhängigen geduldet wird. So regiert Morrison bereits seit Ende vergangenen Jahres, nachdem eine Nachwahl verloren gegangen war.

Erste Nachwahlbefragungen hatten zunächst noch die Labor-Partei mit 52 Prozent vorn gesehen. Auch in Umfragen seit zweieinhalb Jahren und bis vor der Wahl hatte sich eine Wahlniederlage für die Regierungskoalition abgezeichnet. Mit einer Negativkampagne und Unterstützung des größten australischen Medienunternehmens, das zum Imperium des internationalen Medienmoguls Rupert Murdoch zählt, konnte Morrison in den Umfragen jedoch wieder aufholen. Seine Wahlkampagne zielte vor allem auf ältere, wohlhabende Wähler ab, deren Steuererleichterungen unter einer Labor-Regierung teilweise hätten abgeschafft werden können.

"Es ist offensichtlich, dass Labor die nächste Regierung nicht bilden kann", sagte Oppositionsführer Shorten nach der Wahl vor ungläubigen Anhängern in Melbourne. Er habe Morrison bereits gratuliert und werde als Parteivorsitzender zurücktreten.

US-Präsident Donald Trump gratulierte Morrison per Twitter. Nach Bekanntgabe der vorläufigen Ergebnisse telefonierten beide miteinander und sagten "enge Zusammenarbeit bei gemeinsamen Prioritäten" zu, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte.

Nur wenige Versprechen gemacht

Beobachter hatten damit gerechnet, dass dieses Mal erstmals das Thema Klimaschutz wahlentscheidend sein könnte. Dazu trugen auch die schweren Überschwemmungen, Waldbrände und Dürren in den vergangenen Monaten bei. Australien ist eine der am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Industrienationen. In den traditionell konservativen ländlichen Gebieten fordern Landwirte daher mehr Engagement der Regierung gegen den Klimawandel. Auch in einigen wohlhabenden Vororten von Metropolen holten ökologische Kandidaten in Umfragen gegenüber etablierten konservativen Politikern auf.

Der ehemalige Premierminister Tony Abbott, der den Klimawandel einstmals als "Unsinn" bezeichnet hatte, verlor seinen Sitz nach mehr als zwei Jahrzehnten an seine Herausforderin Zali Steggall, eine ehemalige Skirennläuferin. Er räumte seine Niederlage drei Stunden nach Schließung der Wahllokale ein.

Shorten hatte im Wahlkampf versprochen, den Anteil Erneuerbarer Energien zu steigern. Die Konservativen erklärten hingegen, sie wollten die Wirtschaft des Landes nicht gefährden, die sich auf den Kohle-Export stützt. Australien zählt zu den größten Kohle-Exporteuren der Welt, tausende Jobs hängen an der Branche.

Morrison stehen in seiner kommenden dreijährigen Amtszeit einige Herausforderungen bevor, insbesondere hinsichtlich unsicherer Konjunkturaussichten. Nach fast drei Jahrzehnten robusten Wachstums zeigt die australische Wirtschaft Anzeichen von Stagnation. Morrison hatte sich im Wahlkampf als ehemaliger Schatzkanzler vor allem als Garant des australischen Wachstums präsentiert.

Bis auf die Zusage weiterer Steuererleichterungen hatte Morrison den Wählern im Wahlkampf nur wenige Versprechen gemacht. Der Wahlkampf ähnelte in weiten Teilen einer Schlammschlacht. Einige Politiker mussten ihre Kandidatur nach rassistischen und sexistischen Äußerungen in Sozialen Netzwerken zurückziehen. Im Wahlbezirk von Ex-Premierminister Abbott wurde ein 62-Jähriger festgenommen, nachdem er einem Wahlhelfer, der Plakate aufhängte, einen Korkenzieher in den Bauch gerammt haben soll.

"Australier haben die Nase von den vielen Wechseln voll"

In Australien herrscht Wahlpflicht. Rund 17 Millionen Bürger mussten demnach ihre Stimme abgeben. Neu zu besetzen waren 151 Sitze im Unterhaus. Die größte Partei innerhalb einer Regierungskoalition stellt automatisch den Premierminister. Wechselt die Parteispitze, wechselt somit auch der Regierungschef. Dies führte dazu, dass Australien in den vergangenen elf Jahren sechs verschiedene Premierminister hatte.

"Die Australier haben die Nase von den vielen Wechseln voll", sagte der Politik-Professor John Warhurst. Inzwischen haben die Liberalen ihre Regeln zur Wahl des Parteichefs geändert: Morrison hat nun gute Chancen, die vollen drei Jahre bis zur nächsten Parlamentswahl im Amt zu verbringen. Am Sonntag hatte er allerdings erst einmal anderes zu tun: Er ging in die Kirche.