Italien beobachtet mit zunehmender Sorge die Entwicklungen in Libyen. Angesichts des eskalierenden Konflikts im nordafrikanischen Krisenland könnten bis zu 6.000 Migranten versuchen, von Libyen nach Italien zu gelangen. Das geht aus einem Bericht des italienischen Geheimdienstes AISE hervor.

Das Dossier liegt dem italienischen Premier Giuseppe Conte vor, berichtete die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" (Sonntagsausgabe). Zur Flucht nach Italien bereit seien tausende Menschen, die sich derzeit in Libyens Internierungslagern befinden, darunter unzählige Frauen und Kinder. Die italienischen Geheimdienste warnten vor der Gefahr, dass mit einer neuen Migrationswelle aus Libyen auch islamistische Terroristen nach Italien gelangen könnten.

Eifrige diplomatische Bemühungen

Die italienische Regierung führt derzeit Gespräche sowohl mit Vertretern der international anerkannten Regierung in Tripolis, als auch mit General Khalifa Haftar, der die begonnene Offensive auf die Hauptstadt fortsetzt. "Es besteht die konkrete Gefahr einer humanitären Krise in Libyen, die wir um jeden Preis abwenden wollen. Wir führen Gespräche mit allen Kräften in Libyen. Es ist wichtig, alles Erdenkliche für die Stabilisierung eines Landes zu unternehmen, das von entscheidender Bedeutung für Nordafrika, den Nahen Osten, den ganzen Mittelmeerraum, also auch für die EU ist", so Premier Conte laut Medienangaben.

Der parteilose italienische Regierungschef trifft am Montag in Rom den katarischen Außenminister und Vizepremier Mohammed bin Abdulrahman al-Thani. Thema des bilateralen Treffens wird Libyen sein, verlautete aus Regierungskreisen in Rom. Thani macht Druck, damit Italien eine Schlüsselrolle bei Friedensgesprächen in Libyen übernimmt.

Die Libyenmission der Vereinten Nationen (UNSMIL) hat die Kriegsparteien vor Angriffen auf Zivilisten gewarnt. Die Bombardierung von Schulen, Krankenhäusern und zivilen Gebieten sei unter internationalem Recht strengstens verboten, twitterte die Mission am Sonntag. Verstöße würden dokumentiert und an den UN-Sicherheitsrat und den Internationalen Strafgerichtshof weitergeleitet.

Mindestens 121 Tote, 560 Verletzte

In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach Berichte über Angriffe auf medizinisches Personal und Ersthelfer in Libyen gegeben. Die Weltgesundheitsorganisation berichtete, dass seit Ausbruch der Kämpfe vor zehn Tagen mindestens 121 Menschen getötet und mehr als 560 verletzt worden seien. In Libyen waren zuletzt wieder heftige Kämpfe um die Hauptstadt Tripolis aufgeflammt, nachdem der mächtige General Khalifa Haftar seinen Truppen den Vormarsch auf Tripolis befohlen hatte.

Haftar ist mit dem Parlament im Osten Libyens verbunden und kontrolliert mit seiner sogenannten "Libyschen Nationalarmee" große Gebiete im Osten und Süden des Landes. Das Parlament bildet eine Gegenregierung zu der international anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fayez al-Sarraj. Dieser hat jedoch kaum Kontrolle über die Hauptstadt Tripolis hinaus.