Trumpsche Twitter-Stürme gehen selten ohne Aufregung ab – und auch seine Kurz-Nachricht vom Wochenende, die Europäer sollten hunderte im Norden Syriens gefangene Kämpfer zurücknehmen, passte vielen nicht ins Konzept. Verschnupft bis ratlos – so zeigten sich viele beim gestrigen EU-Außenministertreffen in Brüssel. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte gar vor einem „Zerbrechen“ der Beziehungen mit den USA. In einer Partnerschaft könne es keine „Befehlsgeber und Befehlsempfänger“ geben, sagte Asselborn.

Konkret forderte der US-Präsident in seiner Nachricht von Staaten wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien, ihre Kämpfer aufzunehmen und vor Gericht zu stellen. Andernfalls müsse man sie freilassen, drohte Trump recht unverblümt. Nach kurdischen Angaben sitzen allein im kurdisch kontrollierten Nordsyrien 800 ausländische IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen und Lagern ein. Hinzu kämen 700 Ehefrauen und 1500 Kinder, die in Flüchtlingslagern untergebracht seien. Mit dem angekündigten Abzug der USA schwinden Neigung und Möglichkeiten der Kurden, diese Lager auch künftig zu bewachen.

Aus mehreren Ländern kam zu Trumps Forderung ein promptes Nein. „Wir ändern unsere Politik derzeit nicht“, sagte Justizministerin Nicole Belloubet. Frankreich lehnt die Einreise von IS-Kämpfern und ihren Frauen bisher strikt ab. Ausnahmen gab es in Einzelfällen für Minderjährige. Auch die britische Regierung wies Trumps Forderung zurück. Dänemarks Regierung erklärte, man sehe seinen Beitrag darin, ein Justizsystem in Syrien aufzubauen, das es ermöglicht, die Gefangenen dort vor ein ordentliches Gericht zu stellen. Und auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz gab sich zurückhaltend.

Foreign Fighters

Dem österreichischen Verfassungsschutz sind 320 aus Österreich stammende Personen bekannt, die sich aktiv am Dschihad in Syrien und Irak beteiligt haben. 30 Prozent davon besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft. Etwa 90 „Foreign Fighters“ sind laut Innenministerium bis Anfang 2019 wieder nach Österreich zurückgekehrt, circa 60 seien ums Leben gekommen.

„Wenn jemand die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, hat er das Recht einzureisen“, betont der Völkerrechtler Wolfgang Benedek. Allerdings: Sobald jemand in den Militärdienst eines fremden Landes eintritt, verliert er die österreichische Staatsbürgerschaft und somit den konsularischen Schutz. Würde die Person mit Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft jedoch staatenlos werden, kann sie laut Gesetz auch nicht aberkannt werden.

Frauen und Kinder

Benedek sieht den Staat vor allem den Frauen und Kindern gegenüber in der Verantwortung. „Soll man den Kindern vorwerfen, dass sie sich einer Terror-Organisation angeschlossen haben? Das wird wohl nicht gehen“, so der Jurist. Von den Frauen hätten viele in Syrien genug gesehen, um ihren Fehler erkannt zu haben. In Österreich ist derzeit ein derartiger Fall bekannt: Die Behörden in Wien versuchen, eine junge Frau, die als 16-Jährige nach Syrien fuhr, und deren dort geborenen Buben herauszuholen. In Wien erwartet die 20-Jährige ein Prozess wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und bei einer Verurteilung eine mehrjährige Haftstrafe. Alles noch besser als in einem syrischen Gefängnis, erklären ihre Angehörigen.

„Ein Recht, zurückgeholt zu werden, besteht aber natürlich nicht“, erklärt dazu Wolfgang Benedek. Man müsse sich aber fragen, ob eine Rücknahme in kontrollierter Form, als erstes der Frauen und Kinder, nicht sinnvoller ist, als zu warten, bis die Leute von alleine zurückkommen und bei uns einsickern. Den dänischen Vorschlag, vor Ort ein Justizsystem aufzubauen, hält Benedek angesichts der politischen Lage in Syrien für nicht umsetzbar.

Kronzeugen

Auch Terrorexperte Peter Neumann vom Londoner King’s College schlägt vor, die IS-Anhänger nach und nach zurückzuholen und mit den einfachsten Fällen anzufangen. „Dann kann man diese als Kronzeugen nutzen und ihre Aussagen in Prozessen gegen die schweren Fälle verwenden“, sagte er.