Das Gerichtsgebäude gleicht einer Festung. Hunderte Polizisten bewachen den Obersten Gerichtshof Spaniens im Zentrum von Madrid. Im Palast aus dem 18. Jahrhundert startet heute einer der wichtigsten Prozesse der jüngeren spanischen Geschichte. Medien sprechen von einem „Jahrhundertprozess“. Auf jeden Fall ist es ein Mammutverfahren, in dem der Unabhängigkeitskonflikt in der nordostspanischen Region Katalonien juristisch aufgearbeitet wird.

Zwölf katalanische Separatistenführer müssen sich vor einer Strafkammer für die einseitigen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 verantworten, die die in zwei politische Lager gespaltene Region und Spanien in eine tiefe Krise stürzten. Der Konflikt hielt die Welt wochenlang in Atem und setzte eine europaweite öffentliche Debatte darüber in Gang, ob sich die Region Katalonien einfach von Spanien lossagen darf.

Im gerichtlichen Nachspiel geht es freilich weniger um den Traum von der Unabhängigkeit, sondern um den konkreten Vorwurf, dass die Anführer der Unabhängigkeitsbewegung gegen die spanische Verfassung und andere Gesetze verstoßen haben. Zugleich gilt das Verfahren als Prüfstein für die Demokratie Spaniens. Denn die Angeklagten sehen sich als Opfer eines „unfairen und politischen Prozesses“. Ein Vorwurf, den Spaniens Justiz mit maximaler Transparenz beantwortet: Der Prozess wird per Live-Streaming übertragen, sodass die ganze Welt das Geschehen verfolgen kann.

„Wir sind unschuldig“, schrieb Oriol Junqueras aus dem Untersuchungsgefängnis, in dem er die letzten 15 Monate verbrachte. Der 49-jährige Chef der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana und Ex-Vizeministerpräsident Kataloniens ist der Hauptangeklagte. Der Staatsanwalt wirft ihm Rebellion vor, weil er das Volk gegen den Staat aufgewiegelt haben soll. Und Veruntreuung, weil Millionen von Steuergeldern für illegale Unabhängigkeitsaktivitäten ausgegeben worden sein sollen. Dafür drohen Junqueras 25 Jahre Haft.

Neben Junqueras nehmen weitere Prominente auf der Anklagebank Platz: Jordi Sànchez, Ex-Chef der außerparlamentarischen Separatistenbewegung ANC. Oder Carme Forcadell, frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlamentes. Auch etliche Minister der damaligen Separatistenregierung werden der Rebellion, Untreue oder des Ungehorsams beschuldigt. Der Ankläger fordert für sie zwischen sieben und 17 Jahren Gefängnis.

Spaniens Verfassung sieht, wie die Grundgesetze der meisten europäischen Staaten, die Abspaltung eines Territoriums nicht vor.
Ein Mann kann sich derzeit entspannt zurücklehnen: Der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, der im Herbst 2017 als Kopf der Unabhängigkeitsbewegung galt, hat sich nach Beginn der strafrechtlichen Ermittlungen nach Belgien abgesetzt.