Mit Rückendeckung der EU und der USA erhöht Venezuelas Oppositionsführer Juan Guaidoden Druck auf Staatschef NicolasMaduro. Der selbsternannte Übergangspräsident will am Sonntag den Termin für neue Massenproteste verkünden und die Armee mit einer Amnestie auf seine Seite bringen. Mehrere EU-Staaten drängten Maduro zu Neuwahlen und setzen ihm eine Frist von acht Tagen.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini kündigte am Samstag "weitere Maßnahmen" der Europäischen Union an, sollte in dem südamerikanischen Krisenstaat in den kommenden Tagen keine Wahl ausgerufen werden.
Breite EU-Front für Neuwahl
Einige EU-Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, gingen noch einen Schritt weiter. Sie setzten Maduro eine Frist von acht Tagen für Neuwahlen und drohten andernfalls mit der Anerkennung Guaidos. Auch Großbritannien, Spanien, Portugal und die Niederlande unterstützten den Vorstoß.
Die italienische Regierung hält sich an die Linie der EU-Kommission. "Wir erkennen uns voll in der gemeinsamen Erklärung der EU-Mitgliedsstaaten, an deren Verfassung wir uns beteiligt haben", so der italienische Außenminister Enzo Moavero Milanesi laut Medienangaben. "Wir fordern eine nationale Versöhnung und konstruktive Initiativen, die gravierende und negative Entwicklungen abwenden können, den Respekt der Menschenrechte und eine rasche Rückkehr zur demokratischen Legalität dank freien und transparenten Wahlen in Venezuela", so der italienische Außenminister in einer Stellungnahme am Samstagabend. Griechenlands sozialistische Regierung setzt dagegen nach Diplomatenangaben weiter auf Maduro als Präsidenten.
Maduros Regierung zeigte sich unbeeindruckt von dem EU-Ultimatum. "Niemand setzt uns Fristen oder sagt uns, ob Wahlen angesetzt werden sollen oder nicht", sagte Außenminister Jorge Arreaza bei einer Krisensitzung im UN-Sicherheitsrat.
Die Lage in Venezuela hatte sich seit einem gescheiterten Aufstand von Nationalgardisten am Montag kontinuierlich verschärft. Bei Protesten gegen Maduro wurden laut der Nichtregierungsorganisation Beobachtungsstelle für soziale Konflikte seit Wochenbeginn 26 Menschen getötet. Mehr als 350 Menschen wurden zudem festgenommen. Opposition und Regierung wollen ihre Anhänger in den kommenden Tagen zu neuen Großdemonstrationen mobilisieren.
Russland: "USA plant Staatsstreich"
Guaido hatte sich am Mittwoch selbst zum Übergangspräsidenten Venezuelas erklärt. Die USA erkannten ihn umgehend an, Kanada und mehrere lateinamerikanische Staaten wie Argentinien, Brasilien, Chile und Kolumbien folgten. Russland und China blockierten am Samstag im UN-Sicherheitsrat aber eine von den USA vorgeschlagene Erklärung zur Unterstützung Guaidos. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensia beschuldigte "die USA und deren Verbündete", einen "Staatsstreich" in Venezuela zu planen und Maduro stürzen zu wollen.
US-Außenminister Mike Pompeo warf im Gegenzug der Regierung Maduros vor, das Volk zu unterdrücken. Er forderte die Weltgemeinschaft auf, die "Kräfte der Freiheit" um Guaidó zu unterstützen und den Zahlungsverkehr mit Venezuelas Regierung einzustellen.
"Wir werden weitermachen, bis wir ein Ende der Usurpation, eine Übergangsregierung und freie Wahlen erreichen", sagte Guaido bei einer Versammlung am Samstag. Er dankte der EU für ihre Unterstützung. Die Antwort Europas sei "hart", "sehr positiv, sehr produktiv für Venezuela" ausgefallen. Die von Europa eingeschlagene Richtung, "die des Drucks", sei richtig.
Appell an Militärs
Guaido appellierte an Militärs und Staatsbedienstete, sich ihm anzuschließen, und bot ihnen Straffreiheit an. Er rief seine Anhänger auf, ein von der Nationalversammlung beschlossenes Amnestiegesetz in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, an befreundete Soldaten und an Polizei- und Militärposten zu verteilen.
Die Unterstützung der Streitkräfte ist der entscheidende Faktor für den Machterhalt Maduros. Am Wochenende zeigten sich jedoch erste Risse innerhalb der Armee: Der Militärattache Venezuelas in Washington, Jose Luis Silva, erklärte, er erkenne den amtierenden Präsidenten nicht mehr als legitimen venezolanischen Staatschef an. Er forderte seine "Brüder" beim Militär auf, Guaido als Interimsstaatschef zu unterstützen, sagte Silva der Nachrichtenagentur AFP.
Kein Ultimatum mehr an US-Diplomaten
Maduro rückte unterdessen von seinem 72-stündigen Ultimatum an US-Diplomaten zum Verlassen des Landes ab. Venezuela und die USA verhandelten nun über "Interessenvertretungen" in beiden Ländern, sagte Maduro am Samstag. Die Gespräche hätten bereits begonnen, die Interessenvertretungen sollten binnen 30 Tagen eingerichtet werden.
Maduro hatte am Mittwoch zunächst den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu USA verkündet, nachdem Washington Guaido anerkannt hatte. Am Donnerstag ordnete Maduro außerdem die Schließung der Botschaft und der Konsulate seines Landes in den USA an. Washington sprach Maduro die Autorität ab, die diplomatischen Beziehungen beenden zu können, zog allerdings sein als nicht essenziell eingestuftes Personal ab.