Verliert der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sein Amt? Oder kann er sich über die nächsten acht Monate retten, bis zum regulären Ende der Legislaturperiode Ende September?
Darüber hat das Athener Parlament in einer Vertrauensabstimmung am Mittwochabend mit denkbar knapper Mehrheit entschieden. 151 der 300 insgesamt Abgeordneten stimmten dafür, dass Tsipras weiterregieren kann – sehr zum Verdruss der konservativen Opposition, die sofortige Neuwahlen fordert. Denn die Koalition des Premiers ist geplatzt. Dem Land droht eine politische Lähmung.
Vergangenen Sonntag hatte Tsipras’ Koalitionspartner Panos Kammenos den Auszug seiner Unabhängigen Griechen (Anel) aus der Regierung erklärt. Anlass für den Bruch des vor vier Jahren geschlossenen Bündnisses war die Mazedonienfrage. Der ultrarechte Kammenos will den Namenskompromiss, auf den sich Tsipras im Sommer mit seinem mazedonischen Kollegen Zoran Zaev geeinigt hatte, nicht mittragen.
Tsipras verteidigte in der scharf geführten Parlamentsdebatte seine Politik. Die Lösung des Mazedonienproblems sei für ihn eine Gewissensfrage, sagte er.
Der konservative Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis warf Tsipras vor, es sei ihm mit der Vertrauensfrage nur darum gegangen, einige weitere Monate an der Macht zu bleiben. Für viele war es ein „Schicksalsvotum“ für Tsipras. Er hat keine eigene Mehrheit mehr im Parlament. Sein Linksbündnis Syriza verfügt nur über 145 der 300 Mandate. Aber Abgeordnete anderer Parteien hatten angekündigt, dass sie die Regierung bei der Abstimmung unterstützen würden.
Tsipras hinkt in Umfragen hinterher
Trotzdem kann sich Tsipras nicht zurücklehnen. Denn das Vertrauen vieler seiner Wähler hat er längst verloren. Seit drei Jahren liegt die konservative Nea Dimokratia (ND) in den Umfragen konstant vorn. In den jüngsten Erhebungen vom Dezember beträgt der Vorsprung vor dem Tsipras-Linksbündnis Syriza gut zehn Prozentpunkte. Deshalb spielt Tsipras jetzt auf Zeit. Er setzt darauf, dass bis zum Herbst die Stimmung doch noch zu seinen Gunsten umschlägt. Laut Umfragen sind zehn Prozent der Wähler unentschieden, wem sie ihre Stimme geben wollen. Zwei Drittel der Unentschlossenen, so haben die Meinungsforscher festgestellt, sind frühere Syriza-Wähler.
Sie will Tsipras zurückgewinnen.
Daran arbeitet er jetzt. Zu Weihnachten verteilte die Regierung 710 Millionen Euro als „soziale Dividende“ an rund 1,4 Millionen Haushalte. Je nach Bedürftigkeit gab es pro Familie oder Single zwischen 250 und 1300 Euro. Die zum 1. Jänner fälligen Pensionskürzungen hat die Regierung ebenso annulliert wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf einigen Ägäisinseln. Tsipras will den Mindestlohn kräftig erhöhen und verspricht außerdem Zehntausende Einstellungen im Staatsdienst – ein in Griechenland traditionell beliebter Schachzug im Wahlkampf, kann doch die jeweilige Regierung für die Einstellung eines neuen Staatsdieners auf die Stimmen einer ganzen dankbaren Familie hoffen.
Die Wahlgeschenke belasten den Haushalt. Bereits im vergangenen Jahr verfehlte Finanzminister Euklid Tsakalotos den angepeilten Primärüberschuss um 443 Millionen Euro. Ein langer Wahlkampf, in dessen Verlauf Tsipras weitere Wohltaten verteilen wird, könnte das Budget 2019 aus dem Gleis werfen.