Nach Ansicht von knapp drei Viertel aller britischen Abgeordneten hat Premierministerin Theresa May einen schlechten Job bei den Brexit-Verhandlungen gemacht. Die Meinungsverschiedenheiten im Unterhaus hätten sich binnen eines Jahres erheblich vergrößert, ergab eine Befragung der Parlamentarier durch die Londoner Universität Queen Mary gemeinsam mit einer Denkfabrik.
Angesichts solcher Verhältnisse sei es kaum möglich, dass May das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament bringe. Am Mittwoch setzen die Abgeordneten ihre Brexit-Debatte im Unterhaus fort. Am 15. Jänner sollen sie dann über das Abkommen abstimmen.
Großbritannien will sich am 29. März von der Europäischen Union trennen. Ein "No Deal" - also ein ungeregelter Austritt ohne Abkommen - könnte fatale Folgen für fast alle Lebensbereiche haben. Vor allem die Wirtschaft befürchtet Einbußen. Bei einem geregelten Austritt hingegen würde eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020 gelten, in der sich praktisch nichts ändert.
Ablehnung
In Mays Konservativer Partei stößt das Abkommen auf viel Ablehnung. Im Dezember überstand die Premierministerin ein Misstrauensvotum ihrer Fraktion. Die nordirische DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, verweigert die Gefolgschaft. Der Chef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn, setzt auf eine Neuwahl.
Die Abgeordneten des Unterhauses sicherten sich bei der Verabschiedung des EU-Austrittsgesetzes im vergangenen Jahr eine Art Veto-Recht für das Abkommen. Demnach kann die Regierung den Vertrag nur mit vorheriger Billigung des Parlaments unterzeichnen. Die Abgeordneten können die Zustimmung auch mit Bedingungen versehen.
Verschiebung des Brexits
Ursprünglich war die Abstimmung schon für den 11. Dezember geplant. Wegen der sich abzeichnenden Niederlage verschob May das Votum aber auf den 15. Jänner. Angesichts der verfahrenen Situation im Parlament wird zunehmend über eine Verschiebung des Brexits spekuliert.
Der britische "Telegraph" berichtete, Regierungsvertreter aus London hätten in Brüssel vorgefühlt, ob eine Verlängerung der Verhandlungsfrist nach EU-Artikel 50 infrage käme. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird eine solche Verlängerung oder Verschiebung auf EU-Seite nicht ausgeschlossen.
Die Briten votierten im Juni 2016 mit 51,9 Prozent für den Brexit. Rufen nach einem zweiten Referendum erteilte May eine Absage.