Neues Jahr, alte Probleme. Wie schon 2018 weigert sich die Regierung in Rom Flüchtlinge auf Schiffen von Nichtregierungsorganisationen (NGO) im Mittelmeer in italienische Häfen einlaufen zu lassen. 49 Menschen warten weiterhin auf zwei Schiffen der deutschen Hilfsorganisationen Sea-Watch und Sea-Eye vor Malta darauf, dass sich die europäischen Politiker auf eine Lösung einigen. Allerdings regt sich in Italien immer mehr Unmut über die amtliche Gnadenlosigkeit. Die Bürgermeister der Städte Palermo und Neapel haben sich zur Aufnahme der Flüchtlinge bereit erklärt. Auch der katholische Bischof von Turin sagte, seine Diözese würde einige Familien aufnehmen.

Anführer ist der Bürgermeister von Palermo

Vor allem auf lokaler Ebene regt sich Widerstand gegen die harte Linie von Innenminister Matteo Salvini. Die Rede ist vom „Aufstand der Bürgermeister“. Palermos Stadtoberhaupt Leoluca Orlando gilt als Anführer der Revolte, weil er sich als Erster gegen das neue Sicherheitsgesetz der Populisten-Regierung in Rom stellte, das Ende Dezember in Kraft trat. Darin wird die „Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen“ für Migranten de facto abgeschafft, von der in Italien bislang etwa 120.000 Menschen profitierten. Das Ende dieses Aufenthaltstitels könnte die Städte ins Chaos stürzen, fürchtet Orlando. Die Betroffenen würden ihren Anspruch auf Grundversorgung verlieren und stünden plötzlich auf der Straße, „so, als wären sie eben von einem Boot gestiegen.“

Seine Amtskollegen in Mailand, Neapel, Florenz sowie in zahlreichen kleineren Städten und Gemeinden zeigten sich solidarisch. Orlando war allerdings am weitesten gegangen. Mit einer Anordnung hatte er die Stadtbeamten Palermos angewiesen, die Vorgaben des neuen Sicherheitsgesetzes zu ignorieren und das alte Recht anzuwenden. „Solange ich Minister bin, werden die Regeln respektiert“, entgegnete Innenminister Salvini seinen Kritikern. „Es gibt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten.“ Am Montag teilten die Präsidenten der Regionen Toskana, Umbrien und Piemont mit, dass sie Beschwerde gegen das Sicherheitsgesetz beim Verfassungsgericht einreichen wollen.

Solidarität eingefordert

Salvini ist der Mann, der wiederholt Hafen-Stopps gegen die NGO-Schiffe verfügt hat. Auch Malta autorisierte die zwei Schiffe deutscher Hilfsorganisationen bislang nicht, den Hafen von La Valetta anzulaufen. Malta hatte in den vergangenen Wochen 249 Flüchtlinge aufgenommen. Die „Sea-Watch 3“ der Berliner NGO Sea-Watch hat seit über zwei Wochen 32 Personen an Bord. Auch das Schiff der Regensburger Organisation Sea-Eye liegt mit 17 Flüchtlingen in Wartestellung vor Malta. Papst Franziskus hatte die EU-Staaten zu „konkreter Solidarität“ aufgerufen. Die Bedingungen an Bord der verschlechtern sich offenbar. Auf der Sea-Eye würden Wasservorräte inzwischen streng rationiert, teilte die Organisation mit.

Für die italienische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ist der Streit um die Flüchtlinge eine neue Belastungsprobe. Immer mehr Anhänger und Politiker der Fünf Sterne gehen auf Distanz zu Parteichef Luigi Di Maio, weil er die harte Sicherheitspolitik Salvinis mittrage. Erst vergangene Woche hatte die Parteiführung zwei Senatoren ausgeschlossen, weil sie im Parlament gegen das Sicherheitsgesetz gestimmt hatten. Die Regierungsmehrheit in der entscheidenden Parlamentskammer ist damit geschwächt. Das Bündnis hat im Senat nur noch vier Stimmen Vorsprung vor der Opposition.