Das eindrucksvolle Türschild im Kongress ist schon angebracht. „Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez“ steht da in wuchtigen Buchstaben. Die linke Aktivistin hat ein Foto der Tafel bei Twitter veröffentlicht. „Lasst Euch nicht täuschen“, schreibt sie darunter: „Ich bin immer noch Alex aus der Bronx“.
Der Einzug der 29-jährigen Latina, die vor einem Jahr noch als Barfrau jobbte und das Mandat mit einer Graswurzelkampagne gewann, wird nicht die einzige Veränderung sein, wenn sich heute der US-Kongress nach den Midterm-Wahlen vom November neu konstituiert. Insgesamt werden dem Parlament deutlich mehr Frauen und Vertreter von Minderheiten angehören als bisher. Vor allem aber wechselt im Repräsentantenhaus die Mehrheit: Mit 235 Abgeordneten, denen nur noch 199 Vertreter der Republikaner gegenüberstehen, haben die Demokraten nun klar das Sagen.
Zwar behalten die Konservativen die Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments. Trotzdem wird das Regieren für Donald Trump mit einer erstarkten Opposition deutlich schwieriger. Die Abgeordneten wollen Trump in Ausschusssitzungen vorladen und den Grad seiner Verquickung von Amts- und Geschäftsinteressen offenlegen.
„Wir werden die Gewaltenteilung wiederbeleben“, kündigt Nancy Pelosi an. Die 78-Jährige steht seit 16 Jahren an der Spitze der Demokraten-Fraktion und kandidiert nun für das mächtige Amt der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Als erste parlamentarische Initiative hat sie ein Antikorruptionsgesetz angekündigt, das die Kampagnenfinanzierung stärker reglementieren und Trump zur Veröffentlichung seiner Steuerunterlagen zwingen würde. Zwar hat das Paragrafenwerk im Senat kaum eine Chance, es ist aber ein deutliches Lebenszeichen der Opposition, die in den ersten beiden Trump-Amtsjahren kaum vorkam.
Tatsächlich haben sich die Demokraten zuletzt viel mit sich selbst beschäftigt. Pelosi, eine erstklassige Strippenzieherin, hat früh den Anspruch auf den Posten der Parlamentsvorsitzenden angemeldet, den sie bereits von 2007 bis 2011 innehatte. Dagegen gab es in der Fraktion teils heftigen Widerstand. Immerhin wurden 35 größtenteils junge Frauen für die Demokraten erstmals ins Parlament gewählt. Die Millionärin Pelosi verkörpert als Vertreterin des Establishments diesen Aufbruch kaum. Mit einer Mischung aus Druck und der Belohnung mit attraktiven Ausschussposten hat Pelosi den Widerstand in den eigenen Reihen aber gebrochen. Am Ende willigte sie zudem in eine eher symbolische Amtszeitbegrenzung auf maximal vier Jahre ein. Nun gilt ihre Wahl als sicher.
Donald Trump hat pünktlich zum Machtwechsel im Kapitol den Haushaltsstreit in den Fokus gerückt, der seit zwei Wochen weite Teile der Verwaltung lahmlegt. Trump sieht die Chance, über das Budget sein Lieblingsprojekt einer Mauer zu Mexiko wieder in die Schlagzeilen zu bringen. Demonstrativ sagte er seinen geplanten Weihnachtsurlaub auf dem Luxus-Anwesen Mar-a-Lago in Florida ab und startete stattdessen über die Feiertage eine Twitter-Tirade, in der er fünf Milliarden Dollar für das Bauwerk forderte. „Ich bin im Weißen Haus und warte auf die Demokraten“, twitterte er. Die Opposition aber lehnt das Vorhaben ab und will ihre neue Stärke demonstrieren. Keiner aber möchte für die unpopulären Auswirkungen des „Shutdowns“ verantwortlich sein. So tobt in Washington zum Start der neuen Parlamentsperiode ein „Schwarzer Peter“-Spiel der Extraklasse.