Spanien besteht laut Regierungskreisen darauf, dass ein Mitspracherecht über Gibraltar in den Brexit-Vertrag aufgenommen wird. Eine Erklärung reiche nicht. "Wir haben keine ausreichenden Garantien zu Gibraltar und die künftigen Beziehungen zur EU, und deswegen gilt unser Veto zum Brexit-Vertrag und der politischen Erklärung", sagte ein namentlich nicht genannter Regierungsvertreter.

Nach der Vetodrohung Spaniens gegen den Brexit-Vertrag arbeitet die EU an einer eigenen Erklärung zum Vertrag, in der die künftigen Beziehungen geregelt werden. Der spanische Staatssekretär Luis Marco Aguiriano Nalda sagte am Freitag in Brüssel, dass Regierungschef Pedro Sanchez über seine Teilnahme am EU-Sondergipfel am Sonntag erst entscheiden wollen, wenn Spanien die Zusicherung eines Veto-Rechts bei jeder künftigen Vereinbarung zwischen der EU und Gibraltar Schwarz auf Weiß vorliege. London müsse zustimmen, dass Spanien bei jedem künftigen Abkommen mit der EU, das Gibraltar betreffe, grünes Licht geben müsse.

Die übrigen 26 EU-Staaten und die EU-Kommission hätten bei Gesprächen am Freitag diese Sichtweise unterstützt, sagte Aguiriano. Auch britische Vertreter hätten zugestimmt, aber Spanien warte auf eine schriftliche Bestätigung.

Letztes Streitthema

Nach Angaben eines Diplomaten war Gibraltar das letzte Streitthema beim Treffen der sogenannten Sherpas, die das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vorbereiten. Die Verhandlungen liefen auf Hochtouren, um diese letzte offene Frage zu klären.

In der Londoner Downing Street hieß es, der Austrittsvertrag werde nicht wieder angegriffen. Eine Regierungssprecherin sagte jedoch: "Bei der Frage unserer künftigen Beziehung werden wir mit der Regierung von Gibraltar und Spanien zusammenarbeiten."

Ob dies reicht, um das letzte Hindernis auf dem Weg zur Unterzeichnung des Brexit-Vertrages aus dem Weg zu räumen, war zunächst unklar. Die britische Premierministerin Theresa May trifft am Samstag EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel, nach Angaben von Diplomaten soll es aber keine substanziellen Verhandlungen mehr geben.

Spaniens Regierungschef Sanchez hatte am Donnerstag gedroht, falls es keine Änderungen am Vertrag gebe, werde Madrid "ein Veto gegen den Brexit einlegen". Im Kurzbotschaftendienst Twitter erklärte er, nach einem Gespräch mit der britischen Premierministerin May lägen die Positionen beider Seiten noch weit auseinander.

Spanien fordert bei Gibraltar seit Tagen die Festschreibung eines Veto-Rechts bei allen künftigen Entscheidungen zu dem Gebiet, auf das es Anspruch erhebt. Ansonsten werde es bei dem Sondergipfel in Brüssel mit Nein stimmen.

Protokoll

Der Vertrag enthält zwar ein Protokoll zu Gibraltar, in dem der Umgang mit Pendlern, Steuerfragen oder Fischereirechten geregelt wird. Madrid stößt sich aber an Artikel 184 des Austrittsvertrags, in dem die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen Großbritanniens mit der EU angesprochen werden. Gibraltar wird darin nicht erwähnt. Die spanische Regierung pocht aber auf eine Klarstellung, dass es vor jeder Vereinbarung, die Gibraltar betrifft, zuerst eine Einigung zwischen Madrid und London gibt.

Die Halbinsel Gibraltar im Süden Spaniens gehört seit 1713 zu Großbritannien, wird aber von Spanien bis heute zurückgefordert. May bekräftigte am Donnerstag, die britische Herrschaft über Gibraltar werde "geschützt". Gibraltars Regierungschef Fabian Picardo beschuldigte Spanien, das Territorium mit einer "Peitsche" an den Verhandlungstisch zwingen zu wollen.

Deutschland rechnet nicht mit Veto

Deutschland rechnet trotz des Streits nicht mit einem spanischen Veto. "Wir gehen davon aus, dass bis Sonntag noch offene Fragen geklärt sind", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin.

May warnte unterdessen vor einem Scheitern des EU-Austrittsvertrags im britischen Parlament. Dies werde zu einer "weiteren Spaltung und mehr Ungewissheit" in Großbritannien führen, sagte sie im Rundfunksender BBC. Ob sie im Falle einer Niederlage zurücktreten werde, wollte sie nicht sagen.