Die EU und Großbritannien streben nach dem Brexit eine "tiefe" und "ehrgeizige" Partnerschaft an und wollen ein "Freihandelsgebiet" ohne Zölle, Abgaben und mengenmäßige Beschränkungen schaffen. Dies geht aus dem Entwurf der Erklärung zu den künftigen Beziehungen nach dem britischen EU-Austritt hervor, der am Donnerstag akkordiert wurde. Ungelöst ist aber weiter die Gibraltar-Frage.

Wie aus spanischen Diplomatenkreisen verlautete, wird Madrid der Erklärung wegen Gibraltars nicht zustimmen. Ein Kommissionssprecher hatte schon zuvor eingeräumt, dass die Frage des Status der britischen Kronkolonie auf der iberischen Halbinsel ungelöst sei. Der spanische Premier Pedro Sanchez hat direkte Verhandlungen zwischen Spanien und Großbritannien über die Zukunft des britischen Überseegebiets verlangt. Spanien stößt sich auch daran, dass Gibraltar in dem Austrittsvertrag als UK-Territorium festgeschrieben wird.

Seitens der Kommission wurden keine Details über die Inhalte der Einigung auf die politische Erklärung abgegeben. Die Brüsseler Behörde agiere als "facilitator" in diesem Prozess. Jedenfalls könnte es noch in der Gibraltar-Frage zu einem trilateralen Treffen vor dem Brexit-Gipfel zwischen May, dem spanischen Premier Sanchez und Juncker kommen. May und Juncker wollten einander am Samstagabend (18.00 Uhr MEZ) in Brüssel treffen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor auf Twitter mitgeteilt, er habe den Erklärungsentwurf an die Regierungen der 27 in der EU verbleibenden Länder verschickt. Sie sei laut EU-Kommission auch bereits "grundsätzlich auf politischer Ebene vereinbart".

"Ambitionierte Partnerschaft"

Laut dem Entwurf der Erklärung wollen beide Seiten "eine ambitionierte und weitreichende wirtschaftliche Partnerschaft" entwickeln. Die Übergangsperiode nach dem Brexit soll um ein bis zwei Jahre verlängert werden können. Während dieser Zeit solle Großbritannien ins EU-Budget einzahlen, heißt es. Großbritannien wird mit dem Austritt offiziell "Drittstaat". Das Land muss weiter EU-Regeln einhalten und Beiträge nach Brüssel überweisen, hat aber keine Mitsprache mehr in EU-Gremien.

Großbritannien tritt Ende März 2019 aus der EU aus. In der vergangenen Woche hatten sich die Unterhändler beider Seiten bereits auf einen 585 Seiten langen Austrittsvertrag geeinigt. Er soll am Sonntag bei einem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs zusammen mit der politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen gebilligt werden.

Einig wurden beide Seiten auch über die noch einzige offene Frage im Austrittsvertrag, der bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Dabei war offen geblieben, um welchen Zeitraum die nach dem Brexit geplante Übergangsphase verlängert werden kann. Sie endet regulär Ende 2020, kann nach dem neuen Entwurf von Artikel 132 des Austrittsvertrags nun aber einmalig "um bis zu ein oder zwei Jahre" verlängert werden.

Kurz stärkt May Rücken

Die britische Premierministerin Theresa May wollte am Nachmittag das Unterhaus von der politischen Vereinbarung in Kenntnis setzen. Im Vorfeld teilte sie mit, dass die Vereinbarung das Austrittsvotum des britischen Volkes vom 23. Juni 2016 umsetze. In London hielt sich am Donnerstag auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, der May nach eigenen Angaben den Rücken stärken, sich aber auch ein "realistisches Bild" von den Chancen zur Annahme des Austrittsvertrags durch das Unterhaus in London machen wollte.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sieht die Brexit-Verhandlungen indes noch nicht am Ziel. "Wir sind einen Schritt vorangekommen, aber es wird sicherlich noch vieler Diskussionen insbesondere auch in Großbritannien benötigen", sagte Merkel beim Arbeitgebertag am Donnerstag in Berlin. Konkrete Punkte nannte sie nicht. Zugleich hob sie die Nordirland-Frage als schwierigsten Punkt hervor. Ohne dieses Sonderproblem hätte man bereits eine Lösung.

In Irland forderten Kirchenführer in einem gemeinsamen Appell eine respektvolle Brexit-Debatte. In einem gemeinsamen Offenen Brief, aus dem irische Medien am Donnerstag zitierten, ermuntern sie die Politiker, die "unvermeidlichen Spannungen", die der EU-Austritt Großbritanniens mit sich bringe, nicht mit "unnötig destruktiven Debatten" anzuheizen, sondern "ihre Worte mit Bedacht" zu wählen und sich respektvoll zu begegnen. Sie warnten davor, die Beziehungen Irlands zu Großbritannien und Nordirland leichtfertig aufs Spiel zu setzen.