Der Grazer Völkerrechtler Wolfgang Benedek ist von der OSZE beauftragt worden, in den nächsten zwei Wochen einen Expertenbericht über die Menschenrechtslage in der russischen Teilrepublik Tschetschenien zu verfassen. Da Russland auf die Nominierung eines eigenen Experten offiziell verzichtet hat, wird Benedek nach APA-Informationen noch am Mittwoch seine Tätigkeit aufnehmen.

Nachdem 16 Mitgliedstaaten der OSZE unter Leitung von Island am 1. November den sogenannten "Moskauer Mechanismus" in Kraft gesetzt hatten, um die Menschenrechtssituation in Tschetschenien untersuchen zu lassen, war der renommierte Völkerrechtsprofessor laut einem der APA vorliegenden Brief bereits am 6. November zum diesbezüglichen Berichterstatter ernannt worden. Ein Sprecher des innerhalb der OSZE zuständigen Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) bestätigte am Mittwochvormittag auf Nachfrage die Nominierung. Benedek selbst wollte gegenüber der APA keinen Kommentar abgeben.

Vergangene Woche musste jedoch abgewartet werden, ob der von der Untersuchung betroffene Staat einen weiteren Experten für diese Aufgabe nominiert. Dies wird jedoch nicht geschehen. "Die russische Seite wird keinen Ko-Berichterstatter nominieren", erklärte am Mittwochvormittag eine Sprecherin der Ständigen Vertretung der Russischen Föderation bei der OSZE gegenüber der APA.

Moskau hat Unmut bekundet

Das russische Außenministerium hatte bereits Anfang November seinen Unmut über die geplante Untersuchung zum Ausdruck gebracht und einen "Missbrauch des OSZE-Instrumentariums" beklagt. "Es ist offensichtlich, dass diese Handlungen im Zusammenhang mit der Verstärkung einer antirussischen Kampagne vor dem OSZE-Ministerrat in Mailand am 6. und 7. Dezember stehen", hieß es am 2. November in der Presseaussendung.

Laut einem 1991 in Moskau beschlossenen Dokument der damaligen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) kann ein zumindest von neun weiteren Staaten unterstützter Mitgliedstaat Schritte zur Klärung von Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Mitgliedstaat verlangen. Der oder die Berichterstatter haben anschließend zwei Wochen Zeit, einen diesbezüglichen Expertenbericht zu verfassen.

Konkret interessieren sich 16 OSZE-Staaten für die angebliche Ermordung von 27 Homosexuellen in Tschetschenien, für die Behördenvertreter verantwortlich sein sollen. Fragen gibt es zu einem diesbezüglichen "Klima der Straflosigkeit" in der russischen Teilrepublik. Zudem verlangen sie Auskunft über Schritte des russischen Staates, die der Zivilgesellschaft ein freies Agieren erlaubten. Ojub Titijew, der Chef der lokalen Dependance der Menschenrechtsorganisation "Memorial", befindet sich seit Anfang 2018 in Untersuchungshaft. Tschetschenische Ermittler werfen ihm Drogendelikte vor, die von Titijews Mitstreitern als fingiert erachtet werden.

"Innerhalb von zwei Wochen könnte der Berichterstatter alle jene befragen, die in eine Kampagne zur Rettung von Menschen im Zusammenhang mit einem furchtbaren Verbrechen involviert waren", kommentierte die Moskauer Journalistin Jelena Milaschina, die Anfang 2017 in der renommierten Zeitung "Nowaja Gaseta" über die Verfolgung und Ermordung tschetschenischer Homosexueller berichtet hatte, gegenüber der APA. Der Berichterstatter könnte mit Opfern sprechen und das Faktum fixieren, dass die russische Regierung nicht nur dieses Verbrechen nicht aufklären wollte, sondern auch die Opfer nicht geschützt habe, sagte Milaschina.

"Alle Materialien und Zeugenaussagen liegen vor, Reisen nach Tschetschenien und Russland sind daher gar nicht nötig", erklärte die auf Tschetschenien spezialisierte Journalistin.

Österreich hat sich an der isländischen Initiative, die am 1. November von Belgien, Kanada, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Großbritannien und den USA unterstützt wurde, nicht beteiligt. "Der Moskauer Mechanismus wurde in diesem Fall von einer geschlossenen und diskret agierenden Gruppe von Staaten initiiert und für Österreich hat sich die Frage einer Beteiligung nicht gestellt", begründete eine Sprecher des österreichischen Außenministeriums gegenüber der APA vergangene Woche.