Deal oder no Deal, das ist jetzt die Frage. Im Brexit-Drama ist kurz vor dem EU-Gipfel ein Durchbruch in der schwierigen Nordirland-Frage gescheitert. Die EU verstärkt nun ihre Vorbereitungen auf das Notfall-Szenario eines Austritts Großbritanniens ohne Abkommen. Alles nur Theaterdonner, um den Druck auf London zu erhöhen? Fünf Monate vor dem Brexit bleibt nicht mehr viel Zeit für eine Einigung.

Wo stehen die Verhandlungen?

Laut EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sind "80 bis 85 Prozent" des Austrittsabkommens fertig. Beide Seiten haben sich dabei auf die künftigen Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und zumindest grob auf die Finanzverpflichtungen Londons verständigt. Vereinbart ist auch eine Übergangsphase bis Ende 2020, in der Großbritannien im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Dies soll einen harten Bruch für die Wirtschaft verhindern.

Warum ist die Nordirland-Frage so schwierig?

Zwischen Irland und Nordirland entsteht mit dem Brexit eine EU-Außengrenze. Werden dort wieder Kontrollen eingeführt, fürchten beide Seiten ein Wiederaufflammen des blutigen Nordirland-Konflikts zwischen irisch-katholischen Nationalisten und protestantischen Loyalisten. Denn das Karfreitagsabkommen von 1998 zur Beilegung des Konflikts sichert eine offene Grenze zu.

Was schlägt die EU als Auffanglösung vor?

Die EU hatte Premierministerin Theresa May schon im Dezember vergangenen Jahres dazu gebracht, einer "Auffanglösung" (backstop) zuzustimmen, falls keine andere Lösung gefunden wird. Demnach würde Nordirland in der EU-Zollunion bleiben und einen Großteil der Bestimmungen des europäischen Binnenmarktes weiter anwenden.

Warum haben die Briten damit ein Problem?

Der EU-Plan würde bedeuten, dass die Grenze in die irische See verlegt wird und damit Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreiches nötig werden. Dies hat May bisher abgelehnt, weil es "die Integrität des Vereinigten Königreichs" infrage stelle. Sie hat deshalb im Juni vorgeschlagen, dass ihr gesamtes Land notfalls für eine bestimmte Zeit nach der Übergangsphase die Bestimmungen der Zollunion weiter anwendet.

Wie hat die EU auf Mays Vorschlag reagiert?

Skeptisch. Denn Mays Pläne sagten nichts darüber, wie die Einhaltung von EU-Standards beim Export von Industriegütern, Pflanzen oder Tieren überprüft werden sollen. Ein Deal am Sonntag scheiterte nun offenbar weiter an grundsätzlichen Differenzen zur Nordirland-Frage. Aus britischen Regierungskreisen hieß es, die EU habe "einen zweiten backstop" gefordert, "falls die britische Variante nicht rechtzeitig fertig wird". Bis zum Beginn des EU-Gipfels am Mittwochabend soll es nun keine weiteren Verhandlungen geben.

Ist ein Durchbruch beim Gipfel möglich?

Ursprünglich sollte der Oktober-Gipfel "die Stunde der Wahrheit" werden, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte. Ziel war es damals noch, einen Abschluss der Verhandlungen im November einschließlich einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen anzustreben. Dies scheint kaum noch möglich - der Gipfel wird zu einem Krisentreffen, bei dem May und ihre EU-Kollegen sich genügend annähern müssen, um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu ermöglichen.

Bis wann muss eine Einigung spätestens erfolgen?

Nach britischen Angaben müsste der Deal bis spätestens Mitte November stehen, damit das Parlament in London den Austrittsvertrag noch rechtzeitig ratifizieren kann. EU-Vertreter halten auch einen späteren Zeitpunkt für möglich. Als letztmöglicher Termin gilt aber auch in Brüssel der EU-Gipfel am 13. und 14. Dezember.

Hat die EU einen Notfallplan?

Die Kommission hatte bereits Mitte Juli EU-Länder und Unternehmen aufgefordert, sich auf "alle Szenarien" vorzubereiten. Eine detaillierterer "No deal"-Plan liegt bereits in der Schublade. Denn ohne Einigung wird es nach März 2019 auch keine Übergangsphase geben, in der Großbritannien bis 2020 noch im EU-Binnenmarkt und der Zollunion bleibt. Dann drohen ab April durch wiedereingeführte Kontrollen starke Störungen des Waren- und Reiseverkehrs.