Einen Monat vor der Kongresswahl in den USA feiern Präsident Donald Trump und seine Republikaner mit der Berufung des umstrittenen Richters Brett Kavanaugh an den Obersten Gerichtshof einen großen Triumph. Trotz ungeklärter Missbrauchsvorwürfe gegen Trumps erzkonservativen Wunschkandidaten stimmte der Senat mit knapper Mehrheit für die Ernennung Kavanaughs.

Der 53-Jährige wurde umgehend als einer der neun höchsten Richter der USA auf Lebenszeit vereidigt. Vorausgegangen war eine wochenlange Schlacht über die Nominierung, die das ganze Land in ihren Bann zog und die Gesellschaft noch mehr polarisierte als dies bereits der Fall war. Drei Frauen haben Kavanaugh sexuelle Übergriffe in den 1980er-Jahren bis hin zur versuchten Vergewaltigung vorgeworfen. Der Richter weist dies zurück.

Die Proteste gegen die Ernennung Brett Kavanaughs zum US-Höchstrichter halten an
Die Proteste gegen die Ernennung Brett Kavanaughs zum US-Höchstrichter halten an © APA/AFP/ROBERTO SCHMIDT

Festnahmen

Wie in den vergangenen Tagen protestierten auch am Samstag Hunderte Menschen vor dem Kapitol und dem Obersten Gerichtshof gegen Kavanaughs Ernennung. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben 164 Menschen fest. Die Senatsabstimmung musste zeitweise unterbrochen werden. Demonstrantinnen riefen den Senatoren von der Senatsgalerie wütende Parolen wie "Schande über Euch!", "Das werden wir nicht vergessen" oder "Überlebende, geht zur Wahl" entgegen. Am Ende stimmten 50 Senatoren für Kavanaugh und 48 gegen ihn. Er kann bereits am Dienstag auf der Richterbank Platz nehmen, wenn der Supreme Court das nächste Mal tagt.

Für Trump könnte sich die Bestätigung Kavanaughs als doppelter Erfolg entpuppen. Zum einen verspricht er sich davon Rückenwind für seine Partei bei der Kongresswahl am 6. November, bei der die Mehrheit der Republikaner in zumindest einer der beiden Parlamentskammern auf dem Spiel steht. Zum anderen platzierte er nach Neil Gorsuch bereits den zweiten Richter am Obersten Gericht. Der konservative Flügel hat dort nun voraussichtlich noch lange nach Trumps Amtszeit eine Mehrheit von 5:4 Stimmen, die ihm die Oberhand verschafft bei Entscheidungen in so kontroversen Fragen wie Abtreibung, Einwanderung, Rechte von Transsexuellen, Wirtschaftsregulierung oder Machtbefugnisse des Präsidenten.

Doch auch die Demokraten hoffen, bei der Kongresswahl davon profitieren zu können, dass Kavanaugh trotz der Bedenken durchgedrückt wurde. Sie setzen darauf, dass seine Ernennung nicht zuletzt im Zuge der "MeToo"-Bewegung viele zusätzliche Wählerinnen mobilisiert, die in der Wahl eine Chance sehen, die Konservativen - und mit ihnen Trump - abzustrafen. Als konkret gefährdet gilt die Republikaner-Mehrheit im Repräsentantenhaus, aber auch der Verlust der Kontrolle über den Senat scheint möglich. Übernehmen die Demokraten die Macht auch nur in einer der beiden Kammern, müsste Trump bis zur Wahl 2020 gegen erheblich größere Widerstände im Parlament regieren.

Nicht unparteiisch

Trump gratulierte Kavanaugh telefonisch. Zu Journalisten, die ihn an Bord der Air Force One auf einem Flug zu einer Wahlkampfveranstaltung in Kansas begleiteten, sagte der Präsident: "Wir sind sehr geehrt, dass er diesem schrecklichen, schrecklichen Angriff der Demokraten standhalten konnte." Trump hat in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, dass hinter den Vorwürfen gegen Kavanaugh eine politische Intrige der Opposition stecke. Ähnlich äußerte sich auch Kavanaugh während einer Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats, in der er wütend von einem "politischen Anschlag" sprach. Die meisten Demokraten sehen ihn auch deshalb als ungeeignet für den Supreme Court, weil er gezeigt habe, dass er nicht unparteiisch sei.

Kavanaughs Ernennung schien eigentlich bis Mitte September sicher. Doch dann wandte sich die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford an die Öffentlichkeit und warf ihm vor, er habe 1982 auf einer Party versucht, sie zu vergewaltigen, als beide noch in die Schule gingen. Anschließend beschuldigten zwei weitere Frauen den Juristen sexueller Verstöße. Kavanaugh hat die Vorwürfe kategorisch zurückgewiesen. Das verhinderte aber nicht, dass eine landesweite Debatte über seine Ernennung ausbrach. Die Senatsabstimmung über Kavanaugh war vorübergehend verschoben worden, bis das FBI den Senatoren vor wenigen Tagen einen Bericht vorlegte. Viele Demokraten kritisierten diesen als unvollständig und zu hastig erstellt.

Trump sagte, er sei sich zu "hundert Prozent" sicher, dass Ford die falsche Person benannt habe, als sie Kavanaugh des sexuellen Übergriffs beschuldigte. "Das ist einer der Gründe, warum ich ihn gewählt habe, weil es niemanden mit einer so blitzsauberen Vergangenheit wie Brett Kavanaugh gibt. Er ist eine hervorragende Person, und ich fühle mich sehr geehrt, ihn gewählt zu haben." Die ranghöchste Demokratin im Justizausschuss des Senats, Dianne Feinstein, erklärte dagegen auf Twitter: "Brett Kavanaugh angesichts glaubwürdiger Vorwürfe sexueller Nötigung, die nicht sorgfältig untersucht wurden, und seines angriffslustigen, parteiischen Auftretens zu bestätigen, untergräbt die Legitimität des Supreme Courts."