Die Supermärkte in den beiden US-Bundesstaaten North und South Carolina sehen aus, als wäre „Florence“ bereits hier gewesen. Die sonst überquellend vollen Regale sind leer gefegt, kaum eine Konservendose ist noch zu ergattern. Hurrikan „Florence“, der hier an der Ostküste nur „das Monster“ genannt wird, entwickelte sich innerhalb weniger Tage zu einem Wirbelsturm der Kategorie vier. Diese Stufe gilt ab Windgeschwindigkeiten von 209 km/h, bei fünf endet die Skala. US-Meteorologen prophezeien „einen der schlimmsten Stürme, die wir je gesehen haben“.

In Wirbelsturm sei auf die Stufe 2 der fünfstufigen Hurrikan-Skala herabgesetzt worden, teilte das Nationale Hurrikanzentrum der USA (NHC) am Mittwochabend (Ortszeit) mit. Dem NHC zufolge bringt "Florence" nunmehr Windgeschwindigkeiten von 175 Stundenkilometern mit sich. Dennoch dürfte der Sturm die US-Ostküste hart treffen. Dort soll er nach Einschätzung der Meteorologen am Donnerstagabend oder Freitag früh eintreffen.

Glauben wollen diesen Prognosen aber nicht alle Einwohner jenes Küstengebiets, in dem „Florence“ mit voller Wucht zuschlagen dürfte. Obwohl die Bundesstaaten Virginia und North und South Carolina verpflichtende Evakuierungen für 1,7 Millionen Menschen angeordnet haben – was zwangsläufig zu kilometerlangen Staus auf den Autobahnen geführt hat –, bleiben viele bis auf Weiteres noch in ihren vernagelten Häusern. Der Gouverneur von North Carolina zeigte sich in einer Ansprache erbost und zutiefst alarmiert: „Das ist kein Sturm, den man aussitzen kann. Die Leute müssen jetzt hier raus.“

"Es gibt keine Vorbereitungskultur"

Obwohl die Vereinigten Staaten seit jeher von Hurrikans, Tornados, Schneestürmen und Erdbeben heimgesucht werden und der Klimawandel diese Phänomene noch zusätzlich verschärft, sind Amerikaner zu wenig vorbereitet. Letzteres kritisierte kürzlich der Administrator der nationalen Koordinationsstelle für Katastrophenhilfe (FEMA), Block Long. „Es gibt keine Vorbereitungskultur in diesem Land. Amerikaner sind einfach nicht vorbereitet, wenn es um Naturkatastrophen geht.“ Nur die wenigsten hätten außerdem umfassende Evakuierungspläne für sich und ihre Familien ausgearbeitet.

Ein Phänomen, dem Howard Kunreuther und Robert Meyer, zwei Professoren der Wharton Business School, in ihrem 2017 erschienenen gleichnamigen Buch den Namen „Vogel-Strauß-Paradoxon“ gegeben haben. Dazu identifizierten sie sechs unbewusste Tendenzen der Amerikaner, die dazu führen, dass sie sich nicht auf Naturkatastrophen vorbereiten. Laut ihren Untersuchungen denken US-Einwohner kurz- statt langfristig, sie vergessen vergangene Katastrophen ungewöhnlich schnell und erst ein desaströses Ereignis kann sie wachrütteln. Zudem werden nicht alle nötigen Informationen für den Ernstfall eingeholt und man orientiert sich „an der Herde“, also am Tun des Nachbarn. Was laut der Studie jedoch alle Amerikaner zu einen scheint, ist ihr grenzenloser Optimismus. Amerikaner glauben generell, dass schlimme Dinge nur den anderen und nicht einem selbst passieren, schreiben die beiden Buchautoren.

Während sich die Lage an der Ostküste zuspitzt, werden auch in der Hauptstadt Washington D.C. die Schlangen vor den Supermärkten länger. Die Stadt bereitet sich auf starke Regenfälle vor, die zu Überflutungen und Stromausfällen führen könnten. Bürgermeisterin Muriel Bowser rief bereits den Notstand aus. US-Präsident Donald Trump forderte die Amerikaner indes per Twitter auf, sich vor dem Super-Hurrikan in Sicherheit zu bringen. „Geht ihm aus dem Weg. Spielt keine Spielchen mit ihm. Er ist groß.“