Mesale Tolu soll zusammen mit ihrem kleinen Sohn auf dem Stuttgarter Flughafen landen. Am Nachmittag will sie eine Stellungnahme abgeben und dann nach Hause fahren. Tolu ist in Ulm geboren und ging dort in die Schule, ihre Familie wohnt in der Nachbarstadt Neu-Ulm.

Tolu, die für die linke Nachrichtenagentur Etha arbeitete, ist in der Türkei wegen Terrorvorwürfen angeklagt. Sie saß mehr als sieben Monate in Untersuchungshaft. Ihr Prozess in der Türkei wird ungeachtet der Ausreise fortgeführt. Auch ihr Ehemann Suat Corlu ist angeklagt. Seine Ausreisesperre ist nicht aufgehoben, er muss in der Türkei bleiben.

Beziehungen zwischen Türkei und Deutschland belastet

Der Fall Tolu hatte, zusammen mit dem des "Welt"-Reporters Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudtner, die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland schwer belastet.

Seine Tochter wolle weiter in die Türkei reisen, hatte ihr Vater Ali Riza Tolu der Deutschen Presse-Agentur gesagt. Obwohl der Prozess gegen Mesale Tolu auch in ihrer Abwesenheit weiterläuft - der nächste Verhandlungstermin ist für den 16. Oktober angesetzt -, sei er nicht besorgt, dass sie erneut festgenommen werden könne. "Sie wird definitiv wieder in die Türkei reisen. Vorausgesetzt, die Türkei lässt sie einreisen."

"Zu Unrecht inhaftierte Menschen"

Der Unterstützerkreis für Tolu hatte nach Bekanntwerden, dass die Ausreisesperre aufgehoben wird, betont: "Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann weder für Mesale noch für alle anderen zu Unrecht inhaftierten Menschen die Rede sein." Nach offiziellen Angaben sitzen noch mindestens sieben deutsche Staatsbürger "aus politischen Gründen" in türkischen Gefängnissen.

Am 28. September wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen. Er bleibt bis zum 29. September und wird auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen.

Noch mindestens sieben Deutsche in der Türkei in Haft

Nach offiziellen Angaben sitzen noch mindestens sieben deutsche Staatsbürger "aus politischen Gründen" in türkischen Gefängnissen. Diese Menschen sind namentlich bekannt:

- Ilhami A. (Mitte 40) aus Hamburg: Der Taxifahrer aus Hamburg wurde Mitte August in der osttürkischen Provinz Elazig verhaftet. Der Vorwurf lautet Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und der EU als Terrororganisation gilt.

- Dennis E. (Mitte 50) aus Hamburg: Auch im Fall Dennis E. geht es um Facebook-Posts und den Vorwurf der Terrorpropaganda für die PKK. Die türkische Polizei nahm den 55-Jährigen Ende Juli bei einem Besuch im südtürkischen Iskenderun fest, wo er auch inhaftiert ist.

- Hozan Cane (Mitte 40) aus Köln: Polizisten hielten vor den Wahlen Ende Juni einen Bus der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP an und nahmen die kurdischstämmige Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane mit. Cane hatte im westtürkischen Edirne eine Wahlkampfveranstaltung der HDP unterstützt. Ihr wird die Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen.

- Adil Demirci (Anfang 30) aus Köln: Der Sozialarbeiter war Mitte April in Istanbul festgenommen worden. Er schrieb aus Deutschland frei für die linke Nachrichtenagentur Etha, für die auch Mesale Tolu arbeitete. Wie Tolu wird Demirci Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vorgeworfen. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation.

- Patrick K. (um die 30) aus Gießen: Patrick K. war Mitte März nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu im türkisch-syrischen Grenzgebiet festgenommen worden. Anadolu schreibt, er habe sich in Syrien der Kurdenmiliz YPG anschließen wollen. Nach Angaben seiner Familie war K. zum Wandern in der Türkei.

- Enver Altayli (73): Schon ein Jahr lang sitzt Altayli ohne Anklage in Einzelhaft - seine Familie macht sich große Sorgen um seine Gesundheit. Altayli ist Jurist und arbeitete in den 1960er Jahren für den türkischen Geheimdienst MIT. Im August vergangenen Jahres war er in Antalya festgenommen worden, wo die Familie eine Ferienanlage betreibt. Ihm wird Unterstützung der Gülen-Bewegung vorgeworfen, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft ist.