Gleich hinter der britisch-irischen Grenze an der Carrickdale Road auf der nordirischen Seite steht das Geschäft eines „Feuerwerk-Spezialisten“. Er verkauft nebenbei auch Benzin und Kohle. Feuerwerk darf in der Republik Irland nicht vertrieben werden und Benzin ist in der ehemaligen Unruheprovinz des Vereingten Königreiches billiger. Es ist also ein gutes Geschäft für den Händler und eine explosive Mischung am Grenzübergang Ravensdale, doch nicht annähernd so explosiv, wie die Situation hier nach einem harten Austritt Großbritianniens aus der Europäischen Union an dieser Grenze werden könnte. „Bis vor zwanzig Jahren starben hier Menschen“, erzählt der irische Landwirtschaftsminister Michael Creed dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz mit dem Verweis auf den jahrzehntelange Nordirlandkonflikt.

Beide schauen auf ein verschlafene, kleines Zollhäuschen, an dem wegen dessen Nutzlosigkeit mittlerweile ein beeindruckendes Efau-Gewächs emporgeklettert ist. „Vor zehn Jahren gab es hier noch aktive Kontrollen“, führt der Minister aus. Für alle an der Grenze ist es noch unvorstellbar, dass 20 Jahre nach dem Karfreitagsabkommen diese Grenze wieder zu einem Konfliktfeld werden könnte mit echten Personen- und Warenkontrollen. Das droht jedenfalls, wenn es zu einem harten Brexit kommt. Derzeit stehen die Zeichen allerdings etwas auf Entspannung. Denn der Vorschlag der britischen Premierministerin, der ein sanfteres Ausstiegsszenario vorsieht, lässt die Regierung in Dublin etwas aufatmen. Das hat der Taoiseach, der Regierungschef Irlands, Leo Varadkar, am Vorabend beim Empfang seines österreichischen Gastes durchblicken lassen.

Auf den Hügeln in Nordirland in Sichtweite des Grenzübergangs steigen dunkler Rauchwolken auf. Die Trockenheit hat ein kleines Feuer in einem Wald ausgelöst. Die längste Trockenheitsperiode auf der irischen Insel seit den 70iger Jahren fordert ihren Tribut. „Die schwarzen Wolken über Nordirland geben der ganzen Situation einen passenden dramatischen Hintergrund“, sagt der Shane Caffrey vom Außenministerium, der mit dem Landwirtschaftsminister und dem Kanzler an die Grenze gefahren ist. Er kümmert sich derzeit hauptsächlich um den Brexit. Er meint es halb im Spaß, halb im Ernst.

Das alte Zollhäuschen
Das alte Zollhäuschen © Hasewend

Niemand auf der Insel weiß, was eine neue Grenze, gar eine harte Grenze mit Kontrollen und Zäunen für Auswirkungen hat, nicht zuletzt für den Nordirlandkonflikt, der seit 1998 als friedlich gelöst gilt. Minister Creed mahnt: „Jedes Land in der Europäischen Union wird unter dem britischen Austritt leiden, aber hier in Irland haben wir eine ganz besondere Betroffenheit.“ Es wird an dieser Stelle die einzige Landgrenze zum Vereinigten Königreich innerhalb der EU entstehen, fügt der Agrarminister an, wenn man einmal von Gibraltar absieht. „Wir wollen nicht zu einem harten Grenzregime mit fester Infrastruktur zurückkehren“, sagt Creed.

Im Norden der Republik und vor allem in den grenznahen Orten ist die Landwirtschaft stärker ausgeprägt als etwa in Dublin. Der Austausch, oftmals sogar der tägliche Austausch, ist viel stärker ausgeprägt. Die beiderseitigen Abhängigkeiten sind groß und viele Farmer haben Land und Kund auf beiden Seiten der Grenze. Sie wären vor allem betroffen. Über allem aber schwebt die Verschärfung der Tonart zwischen protestantischen Unionisten und katholisch-irischen Nordiren. Es besteht die Furcht, dass aus den Rivalitäten, die unter der Oberfläche noch immer vorhanden sind, wieder eine gewaltsame Auseinandersetzung werden könnte.

Kanzler Kurz und Minister Creed am Grenzübergang
Kanzler Kurz und Minister Creed am Grenzübergang © Hasewend

Mit diesem Eindruck fuhr Kurz am Mittag zum Flughafen Dublin, um dort in den Flieger nach London zu reisen. Dort erwartet ihn die britische Premierministerin Theresa May, die am Vormittag zunächst einmal einen Nachfolger für den in der Nacht zurückgetretenen Brexi-Ministers David Davis ernennen musste. Zudem wollte ihr größter Kontrahent in der Brexit-Debatte, Außenminister und Hardliner Boris Johnson, am Abend vor die Presse treten. In erster Linie sollte es um die anstehende Westbalkan-Konferenz am Dienstag in London gehen, doch alle erwarteten im Vorfeld, dass Johnson den Auftritt in der Öffentlichkeit auch für den Brexit nutzen wird. Möglichweise wird dann schon klar, wohin die Reise bei den Verhandlungen mit Brüssel gehen wird.