Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat jüdische Kritik am Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani in Wien offenbar mit seinen starken Aussagen zum Existenzrecht Israels besänftigen können. "Wir wünschen, dass der iranische Präsident nicht in Wien empfangen worden wäre, vermerken aber die starken Worte von Kanzler Kurz in Rouhanis Gegenwart", twitterte das American-Jewish Comittee (AJC).
Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emanuel Nahshon, verbreitete Kurz' Aussagen am Mittwoch ebenfalls über Twitter, ergänzt um die rhetorische Frage: "Wird darüber in den iranischen Medien berichtet werden?". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte anlässlich von Rouhanis Europabesuch die "Beschwichtigungspolitik" der Europäer gegenüber dem Iran kritisiert, aber keine explizite Kritik an Österreich geübt. Kurz ließ am Mittwoch mitteilen, dass er vor dem Empfang für Rouhani bewusst mit Netanyahu telefoniert habe, weil es ihm wichtig schien, "im Vorfeld des Besuchs die israelische Sichtweise zu hören".
Kurz hatte bei einem Presseauftritt mit Rouhani am Mittwoch gesagt, der Kampf gegen den Antisemitismus und die Unterstützung für Israel seien "zentral" für Österreich. Mit Blick auf die Linie des Iran gegenüber Israel fügte er hinzu: "Aus unserer Sicht absolut inakzeptabel ist, wenn das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird oder zur Vernichtung Israels aufgerufen wird. Die Sicherheit Israels ist für uns als Republik Österreich nicht verhandelbar."
Rouhani konterte mit einer Attacke auf die "Zionisten" (Israel, Anm.), die er als "Besatzungsgruppe und Unterdrücker" brandmarkte. Außerdem hielt er Israel vor, den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien zu unterstützen. Der Iran habe "gute Beziehungen zu Juden in aller Welt", so Rouhani, der in diesem Zusammenhang auch Jahrtausende zurückliegende Ereignisse bemühte. "Wir Iraner haben die Juden in Babylon gerettet. Sie haben eine Schuld uns gegenüber", so der iranische Präsident bei dem Auftritt, bei dem keine Fragen zugelassen waren.
Der Rouhani-Besuch hatte Kurz persönlich in Erklärungsdruck gebracht, weil er erst vor einem Monat bei einem Besuch in Israel das Eintreten für das Existenzrecht Israels zur österreichischen "Staatsräson" erklärt hatte. "Die Einladung an Rouhani steht in krassem Gegensatz zur Sorge, die Kurz für die israelische Sicherheit ausgedrückt hat", kommentierte der Leiter des Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrums, Efraim Zuroff, die Visite. Auch die Israelische Kultusgemeinde (IKG) kritisierte den Besuch.
Das irankritische Bündnis "Stop the Bomb", das für einen Regimewechsel in Teheran kämpft, zeigte sich wenig beeindruckt von den Worten des Bundeskanzlers. "Wir werden uns von solchen rhetorischen Floskeln keinen Sand in die Augen streuen lassen", sagte "Stop the Bomb"-Sprecher Stephan Grigat am Mittwochnachmittag der APA. "Das ist das, was die Europäer seit 40 Jahren betreiben", sagte Grigat mit Blick auf rhetorische Bekenntnisse europäischer Staaten zum Staat Israel. Die Iraner hätten deshalb "gelernt, es routiniert zur Kenntnis zu nehmen und mit den Schultern zu zucken, denn es bleibt konsequenzlos". Österreich müsste vielmehr "rote Linien" ziehen und etwa bei neuen Vorfällen die diplomatischen Beziehungen zum Iran abbrechen oder den Handel einschränken. Nur dann gebe es die Chance auf ein Umdenken, so Grigat, der sich im Vorfeld des Besuchs kritisch geäußert hatte, dass Kurz die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran sogar noch ausbauen wolle.