Der iranische Präsident Hassan Rouhani traf am Mittwoch in Österreich mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammen. Das deutsche Boulevardblatt "Bild" nahm dies zum Anlass für eine Standpauke: "Irans Präsident auf Skandal-Besuch in Wien", hieß es in der Internet-Ausgabe: "Europa darf keinen roten Teppich für Henker und Terroristen ausrollen!"
Beim ersten Statement vor der Presse (Fragen waren keine zugelassen) nahmen weder Rouhani noch Van der Bellen Stellung zu dieser Affäre. Beim zweiten griff Kurz das Geschehen auf und erklärte, an Rouhani gewandt: "Wir haben darüber geredet, wir erwarten uns volle Aufklärung, danke, dass Sie uns die zugesichert haben, das zu unterstützen."
Der Bundeskanzler hießt weiter fest, Österreich sei ein Land, das sich aktiv für die Einhaltung der Menschenrechte einsetze, überall, auch im Iran. Ein "Herzensanliegen" sei Österreich auch der Kampf gegen den Antisemitismus, die Unterstützung für Israel. "Aus unserer Sicht ist es inakzeptabel, wenn das Existenzrecht Israels in Frage gestellt wird oder zur Vernichtung Israels aufgerufen wird, wir haben kein Verständnis für Verharmlosung für Holocaust. Die Sicherheit Israels ist für uns nicht verhandelbar."
Zum Atomschutzabkommen stünden Österreich und die EU voll und ganz. "Wir werden in den nächsten Tagen in Wien Gespräche darüber führen, wie wir mit der neuen Situation umgehen." Ganz allgemein werde man jedenfalls die "Dialogkanäle dort aufrecht halten, wo sie notwendig sind".
Rouhani betonte, man habe kein Problem mit den Juden, aber die Zionisten als "Besatzungstruppe" setzten die Menschen im eigenen Land, im Gaza-Streifen, in Ländern wie Syrien unter Druck. "Die Rolle Israels in der Region ist destruktiv. Unser gemeinsames Ziel hier ist Sicherheit und Frieden im sensiblen Nahen Osten. Unsere beiden Länder können einen Beitrag dazu leisten."
Freundschaftliche Beziehungen
Van der Bellen und Rouhani betonten die langjährigen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Man stehe zum Atomschutzabkommen, das von den USA einseitig aufgekündigt wurde. Am Nachmittag geht es um die Wirtschaftssanktionen, gegen die auch die EU-Kommission schon Schritte angekündigt hat.
Van der Bellen betonte: "Österreich bedauert den Rückzug der USA von Abkommen, auch die Entscheidung, die Sanktionen wieder aufleben zu lassen." Die extraterritoriale Anwendung verletzte aus Sicht Österreichs das Völkerrecht, diese Ansicht vertrete auch die Europäische Kommission mit dem "blocking statute" gegenüber den US.
Rouhani bedankte sich für die "konstruktiven Gespräche". Der Iran werde nicht aussteigen aus dem Abkommen, wenn andere Länder die Interessen des Iran sicherstellten. Die EU habe bereits einen starken Willen gezeigt, "wir hoffen, dass auch bei Handel und Wirtschaft entschlossen vorgegangen wird".
Die USA hätten eine Entscheidung gegen ihre eigenen Interessen gefällt, und: "Ein Land allein kann nicht für andere Länder entscheiden, das ist gegen die Souveränität von anderen Ländern, es ist gegen Frieden und Stabilität".
Die USA haben indes wenig verhüllte Kritik am Besuch des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani in Wien geübt. "Die Vereinigten Staaten stehen auf der Seite derjenigen im Iran, die für ihre grundlegenden Menschenrechte kämpfen", twitterte die US-Botschaft in Wien unmittelbar nach dem Empfang für Rouhani durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch.
Begleitet von zwei ständig über dem Inneren Burghof kreisenden Polizeihubschraubern hatte der iranische Präsident Hassan Rouhani den Besuch in Wien begonnen. Nur während des Abspielens der Nationalhymnen durch die Ehrengarde des Bundesheeres schien das Hubschraubergetöse zu verstummen.
Demonstranten verbannt
Protestrufe gab es keine, wurden irankritische Demonstranten doch jenseits des Heldenplatzes verbannt, weil ein weiträumiges und von Dutzenden Polizisten abgesichertes Platzverbot rund um das Regierungszentrum galt. "Es ist demokratiepolitisch bedenklich, dass wir nicht in Sicht- und Hörweite von Rouhani sind", sagte Stop-the-Bomb-Vertreter Stephan Grigat gegenüber der APA. "Wir betrachten es als fatal, dass diesem Regime der rote Teppich ausgerollt wird", sagte er mit Blick auf die umstrittene Rolle des Iran im Nahen Osten und Menschenrechtsverletzungen im Land selbst.
Rouhani sei "das freundliche Gesicht des Terrors", wies Grigat die in Europa verbreitete Deutung, wonach man im Iran das moderate Lager gegenüber den Hardlinern stützen müsse, zurück. Rouhani unterscheide sich von den Konservativen nicht nach dem Ziel, etwa der Vernichtung Israels, sondern den Methoden. "Wir fordern den Sturz dieses Regimes", so Grigat.
Scharfe Kritik übte Grigat an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP. Kurz sei in einer ähnlichen Situation wie seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel, die die Sicherheit Israels ebenfalls zur "Staatsräson" erklärt habe, "dann aber nichts dafür getan hat, die Geschäfte deutscher Unternehmen im Iran zu stoppen". Kurz gehe sogar "noch einen Schritt weiter", indem er sich für eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen einsetze, so Grigat mit Blick auf Rouhanis Auftritt in der Wirtschaftskammer am Mittwochnachmittag. Im Bundeskanzleramt sollen zudem mehrere Memoranden zur Wirtschaftskooperation unterzeichnet werden.
"Skandal-Besuch"
Das deutsche Boulevardblatt "Bild" kritisiert den Empfang durch Van der Bellen und Kurz als "Skandal-Besuch". "Europa darf keinen roten Teppich für Henker und Terroristen ausrollen!" Das Regime im Iran halte seit Jahren einen "ganz besonderen Rekord", wurde in dem Artikel unter anderem argumentiert: "Es ist der 'weltweit größte staatliche Terrorsponsor'."
Teheran bewaffne und finanziere islamistische Milizen wie Hamas, Hisbollah und den Islamischen Jihad. Rouhani sei als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats selbst jahrelang an der Anschlagsplanung im Ausland beteiligt gewesen, argumentierte "Bild" weiter. "Unter seiner Führung wurde u. a. 1994 das Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires verübt, 85 Tote. Der argentinische Staatsanwalt, der Irans Führung dafür zur Rechenschaft ziehen wollte, wurde auf ungeklärte Weise 2015 ermordet."
Zudem wolle der Iran Israel zerstören, und das 2015 in Wien von der 5 plus 1 Gruppe - die fünf UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien plus Deutschland - abgeschlossene Atomabkommen habe nicht die erhoffte Öffnung des Regimes gebracht.
Rouhani kam aus der Schweiz nach Österreich. Es handelt sich um seine erste Europareise, seit die USA unter Präsident Donald Trump im Mai aus dem Atomdeal mit dem Iran ausgestiegen sind. Van der Bellen und Kurz wollten mit dem Empfang ihre Unterstützung für das Abkommen bekräftigen, für dessen Rettung einem iranischen Agenturbericht zufolge am Freitag ein Außenministertreffen in Wien stattfinden wird.