In Washington gilt sie als Trump-Versteherin. Hope Hicks, mit 27 Jahren und null Erfahrung in das Haifischbecken der US-Polit-Szene geholt, streicht nun aber die Segel und verlässt das Weiße Haus. Für Präsident Donald Trump geht damit nicht nur der seit Amtsantritt anhaltende personelle Aderlass weiter: Die inzwischen 29-Jährige ist ein wesentlicher Eckpfeiler seines politischen Apparates.
Oder mit anderen Worten: Die praktisch letzte Person außerhalb seiner Familie, auf deren Loyalität er hundertprozentig zählen konnte. Der Abgang von Hicks, der von Trump selbst und von seinem Stabschef John Kelly von Lobeshymnen auf die attraktive junge Frau begleitet wurde, kommt für das Weiße Haus zur Unzeit. Gerade erst musste Trump seinen Schwiegersohn und Berater Jared Kushner de facto degradieren, weil dessen Sicherheitsüberprüfung wegen undurchsichtiger Geschäfte stockt und er keinen Zugang zu hochgeheimem Material mehr bekommen darf.
Gleichzeitig ist ein neuer Streit mit Justizminister Jeff Sessions, einem ehemals engen Vertrauten, ausgebrochen. Die Regierungszusammenarbeit zwischen Sessions und Trump war bisher nicht ausschließlich von gegenseitiger Sympathie geprägt.
Die Fälle Kushner und Sessions haben mit der Russland-Affäre zu tun. Auch Hope Hicks hatte sich am Dienstag einem fast neunstündigen Verhör im Geheimdienstausschuss stellen müssen. Das meiste davon blieb hinter verschlossenen Türen, bei dem, was herausdrang, ließen zwei Kleinigkeiten aufhorchen: Hicks räumte ein, für Trump hin und wieder zu Notlügen zu greifen - außer natürlich in der Russland-Affäre. Und zweitens: Auf einige Fragen der Ausschussmitglieder verweigerte sie die Antwort.
Am Mittwoch beeilte sich die Regierung, den Zusammenhang der Aussage im Ausschuss und der keine 24 Stunden später erfolgten Rücktrittsankündigung herunterzuspielen. Hicks habe den Schritt bereits seit Wochen geplant, nur ein kleiner Kreis sei eingeweiht gewesen. Unklar blieb auch, welche Rolle ihre Affäre mit dem Trump-Mitarbeiter Rob Porter gespielt hat. Trotz ihres Verhältnisses hatte sie an dessen Demission wegen Vorwürfen häuslicher Gewalt durch zwei Ex-Frauen gleichzeitig mitgearbeitet.
Die Situation, so schreibt unter anderem die "Washington Post", soll Hicks in einen Gemütszustand versetzt haben, der irgendwo zwischen Wut, Enttäuschung und Verzweiflung anzusiedeln ist. Regierungsmitarbeiter ließen sich mit den Worten zitieren, sie hätten Hicks im West Wing weinen sehen.
Hicks ist in gut einem Jahr die fünfte Person, die den Posten von Trumps Kommunikationschef räumt. Ihr Vorgänger Anthony Scaramucci ("The Mooch") hatte nur zehn Tage auf dem Schleudersitz überstanden. Lange Zeit arbeitete sie fast vollständig hinter den Kulissen. Trump hatte Hicks einst als eine "weitere Tochter" bezeichnet. Ihre Beziehung zur Familie hatte sie als Model für die Modelinie von Trumps Tochter Ivanka begonnen.
Der engste Zirkel um den Präsidenten ist geradezu einem Aderlass ausgesetzt. Chefstratege Stephen Bannon hatte ebenso seinen Hut nehmen müssen wie Sicherheitsberater Michael Flynn, Regierungssprecher Sean Spicer gab auf, Außenpolitik-Berater Sebastian Gorka musste ebenfalls gehen - alle binnen einem Jahr.
Zwischen Jared Kushner und Stabschef John Kelly tobt ein Machtkampf. Kelly sägt an Kushners Stuhl, weil der junge Trump-Schwiegersohn seine Arbeit als Außenpolitik-Experte weitgehend frei von außenpolitischer Erfahrung verrichte. Unter der Hand wird gemunkelt, Kushners geschäftliche Russland-Kontakte könnten allmählich zur gefährlichen Zeitbombe für Trump werden. Schon wird die Frage aufgeworfen, ob das Weiße Haus personell auszubluten drohe: Gehen Trump die geeigneten, vor allem aber die loyalen Leute aus?
Der Weggang von Hope Hicks, der super-loyalen Ziehtochter, der Frau, die behauptet, sie habe ein "totales Verständnis" für den Präsidenten entwickelt, könnte nun eine Wegscheide auch für den Präsidenten sein. "Der einsamste Mann in Washington ist noch einsamer geworden", titelte das Magazin "Politico". Schon wird die These lanciert, Hope Hicks könnte sich nach einer Auszeit für Trumps Wahlkampfteam 2020 warmlaufen und dort eine ähnlich entscheidende Position einnehmen, wie sie sie 2016 eher per Zufall bekleidete. "Ich bin sicher, wir werden in der Zukunft wieder zusammenarbeiten", ließ der Präsident am Mittwoch vieldeutig wissen.
Michael Donhauser/dpa