Ihre erste Reise führt in die Slowakei, einen von vier Visegrád-Staaten, die das Wort gegen die EU-Verteilungsquote führen. Im Wahlkampf hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache betont, man wolle ein besonderes Nahverhältnis zu dem Quartett suchen. Ist das auch Ihr Grund, dorthin zu fahren, oder gibt es noch eine Motivation?
Karin Kneissl: Es gibt viele Motivationen, in die Slowakei zu fahren.

Welche?
Karin Kneissl: Da müssen Sie sich nur anschauen, wohin die Vorgänger gefahren sind: in die Nachbarstaaten und die Slowakei ist ein Nachbar. Mein Vorgänger Michael Spindelegger, Ursula Plassnik und Sebastian Kurz waren in Prag, Bern und Zagreb. Die Slowakei war nie dran. Zudem sind Wien und Bratislava die zwei nächstgelegenen Hauptstädte weltweit. Drittens kommen Sie wunderbar mit der Eisenbahn hin. Ich nahm diesen Zug fast täglich, wenn ich von Gramatneusiedl nach Wien fuhr. Dieser Zug war immer voll von Tagespendlern. Wenn ich zeitig um 5:30 Uhr in den Zug stieg, was ich Gott sei Dank nicht so oft tun musste, habe ich sehr viele Slowaken getroffen, die im AKH arbeiteten. Das ist auch der vierte Grund: Es gibt ein unglaubliches Nahverhältnis.

Kneissls erste Auslandsreise nach Bratislava

Wie beschreiben Sie Ihren Führungsstil? Sebastian Kurz war innerhalb einer Woche mit allen per Du. Wie gehen Sie das bei 1200 Mitarbeitern an?
Karin Kneissl: Ich habe gleich am Tag der Angelobung ein Townhall-Meeting gemacht für alle jene, die im Haus waren. Immerhin sind ja auch rund 500 Mitarbeiter im Ausland. Ein Teil von denen war live in den Botschaften zugeschaltet. Das war sehr nett.

Für wen sind Sie direkt ansprechbar?
Karin Kneissl: Ich halte direkten Kontakt zu den Abteilungs- und Sektionsleitern sowie zu den Referenten. Mein Kabinett ist klein, es besteht nicht aus Menschen, die bei anderen ein Monitoring machen. Stattdessen wollen wir im Kabinett Impulse setzen und mit den Abteilungen gemeinsam wirken. Das gilt auch für unsere neue Asien-Strategie. Wir bilden eine kleine Task-Force mit aktuellen und ehemaligen Kollegen, die einmal in China gewirkt haben oder Ideen haben, und nehmen Personen aus dem akademischen Bereich hinzu, um Impulse zu setzen. Ich möchte jedem im Ministerium und im Außeneinsatz das Gefühl vermitteln: Es ist sinnvoll, in der Früh ins Büro zu gehen. Ich habe vor 20 Jahren an dieser Sinnhaftigkeit gezweifelt.

Was war der Grund?
Karin Kneissl: Parteipolitik.

Dass Leute, nur weil sie bei einer Partei waren, wohin gekommen sind, obwohl sie nicht kompetent waren?
Karin Kneissl: Es war einfach die gläserne Decke der Parteipolitik. Ich will nicht sagen, dass irgendjemand inkompetent war, aber Sie spüren das ab einem bestimmten Alter. Vorher sind Sie die nette, junge Kollegin, die so engagiert ist …

… aber nicht Parteimitglied …
Karin Kneissl: Ich habe diese gläserne Decke gespürt. Von Heinz-Christian Strache wurde ich gefragt, ob ich als Unabhängige das Außenministerium übernehmen will. Ich weiß um die Bedeutung der vielen unabhängigen Diplomaten, die wirklich nur ein Interesse haben: nämlich Österreich zu vertreten. Ich werde Mitarbeiter ausschließlich wegen ihrer Qualifikationen und ihres inhaltlichen Könnens aussuchen.

Weil Sie Strache angesprochen haben: Sie sind parteiunabhängig. Aber natürlich gibt es den Wunsch der FPÖ, ein Ministerium zu übernehmen und die Vorstellungen, die man ins Wahlprogramm geschrieben hat, auch umzusetzen. Wie weit gibt es da Absprachen?
Karin Kneissl: Das ist ja ein gemeinsames Regierungsprogramm. Das sind keine Absprachen zwischen der FPÖ und meiner Person, sondern Vereinbarungen zwischen den Koalitionspartnern. Und meine Aufgabe als Leiterin dieses Ressorts ist es, dieses gemeinsame Regierungsprogramm umzusetzen.

Sie haben aber einen Handlungs- und Gestaltungsspielraum als Ressortleiterin.
Karin Kneissl: Ja, aber wir sind erst am Tag elf. Wir sind noch alle mit Aufbau beschäftigt. Bis jetzt gab es nichts, wo ich in irgendeiner Form eine Aufforderung oder sonst etwas bekommen hätte.

Haben Sie sich Fußfreiheit ausgedungen für dieses Amt?
Karin Kneissl: Ich bin hier als Unabhängige.

Die FPÖ ist wahnsinnig angegriffen worden wegen ihrer Mitgliedschaft in der rechtsextremen Fraktion im EU-Parlament.
Karin Kneissl: Ich kommentiere nichts, was die FPÖ betrifft.

Im Iran nehmen die aktuellen Proteste ein ähnliches Ausmaß an wie die Grüne Bewegung 2009. Früher hätten wir Sie als Nahostexpertin um Ihre Einschätzung gefragt. Wie bewerten Sie die Lage heute als Außenministerin?
Karin Kneissl: Für mich gilt das Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit. Das, was seit Tagen im Iran stattfindet, ist Ausdruck dieses Rechts. 2009 gingen die Proteste konkret gegen Ahmadinedschad, dem man Wahlbetrug vorgeworfen hat. Da würde ich keine Analogie herstellen. Vom Sachverhalt besteht da eine völlig andere Situation, weil die Preiserhöhungen den Anlass für den Beginn der Proteste gaben.

Sie sind ein Freund schonungsloser Worte, sicher kein Grundzug von Diplomaten. Ist das etwas, wo Sie sich in Zukunft anders verhalten müssen?
Karin Kneissl: Wenn Sie etwas als Kommentator, Analyst oder Buchautor schreiben, ist das etwas anderes, als wenn Sie einen Staat nach außen vertreten. Ich weiß, wie sich meine Schreibweise 1999 verändert hat, als ich aus dem Außenministerium ausgetreten bin. Ich habe mir auch in meinen allerersten Gesprächen hier eine relative Klarheit erhalten. Sie werden das eine oder andere anders umschreiben müssen. Und ich werde weiterhin Bücher schreiben. Es sind von mir drei Bücher gerade im Lektorat, die kommen bald heraus. Die schreibe ich als Karin Kneissl, und da wird vielleicht das eine oder andere drinnen stehen, was nicht allen behagt.