Einen Tag vor dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien spitzt sich der Konflikt zwischen der spanischen Regierung und Barcelona weiter zu: Unabhängigkeitsbefürworter hielten am Samstag dutzende Schulen in Katalonien besetzt, damit diese am Sonntag als Abstimmungslokale für das Referendum genutzt werden können. Laut spanischer Regierung waren 163 Institute betroffen.

Die spanische Polizei riegelte daraufhin 1300 von 2315 Schulen ab, die als Wahllokale dienen sollten.

Die Befürworter des Referendums setzten sich damit über Gerichtsurteile hinweg, wonach die Abstimmung illegal ist und die Wahllokale geschlossen bleiben müssen. Die Polizei besetzte zudem nach Angaben der Regionalregierung das Telekommunikations- und IT-Zentrum Kataloniens. Das spanische Innenministerium und die Polizei selbst bestätigten das Vorgehen nicht. Das oberste Gericht Kataloniens hatte am Freitag die Polizei angewiesen, eine elektronische Abstimmung zu verhindern.

Die Zentralregierung in Madrid hat Tausende Polizisten in die Region geschickt, um das Votum zu verhindern. Sie beruft sich dabei auf die Verfassung. Danach ist Spanien ein unteilbarer Staat. Nach dem Willen der Organisatoren sollen die Katalanen am Sonntag ab 09.00 Uhr wählen.

Eltern hatten angekündigt, dass sie die Nacht mit ihren Kindern in deren Schulen verbringen würden. In der Nacht zu Sonntag würden noch mehr kommen, versicherten sie.

5,3 Millionen Abstimmungsberechtigte

Nach Angaben der katalanischen Regionalregierung vom Freitag soll die Abstimmung in insgesamt 2315 Wahllokalen stattfinden. Regierungssprecher Jordi Turull bezifferte die Zahl der Abstimmungsberechtigten vor Journalisten auf 5,3 Millionen und sprach von mehr als 7200 Wahlhelfern. Am Ende der Pressekonferenz enthüllten er, der katalanische Vizeregierungschef Oriol Junqueras und Außenminister Raül Romeva eine Wahlurne mit dem Stempel der Regionalregierung.

Junqueras sagte, falls ein Wahlbüro geschlossen werde, hätten Bürger alternative Möglichkeiten für die Stimmabgabe. Einzelheiten nannte er nicht. Feuerwehrleute und mit Traktoren angerückte Bauern wollen die Wahlbüros am Sonntag schützen.

Die spanischen Einsatzkräfte hatten in den vergangenen Tagen hochrangige katalanische Regierungsmitarbeiter festgenommen sowie Wahlurnen, Stimmzettel und sonstige Referendumsunterlagen massenweise beschlagnahmt. Die Justiz leitete überdies Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister ein, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen. Im Zusammenhang mit dem Volksentscheid stehende Internetseiten wurden auf richterliche Anordnung geschlossen.

Ungeachtet des von Madrid ausgeübten Drucks und trotz Verbots des Referendums durch das spanische Verfassungsgericht hatte das Regionalparlament in Barcelona Anfang September ein Gesetz verabschiedet, das den Weg für den Volksentscheid freimachte. Seitdem eskaliert der Streit zwischen den katalanischen Nationalisten und der Zentralregierung, die das Referendum mit allen Mitteln verhindern will.

Madrid verschärft die Gangart

Madrid entsandte tausende zusätzliche Polizeikräfte in die Region, darunter die bei vielen Katalanen verhasste Guardia Civil. Die Polizisten sollen in drei Fähren in den Häfen von Barcelona und Tarragona untergebracht werden. Allerdings wollen katalanische Hafenmitarbeiter die Versorgung der Fähren verweigern.

Madrids verschärfte Gangart brachte in den vergangenen Tagen in Barcelona und anderen Städten hunderttausende empörte Katalanen auf die Straße. Eine Mehrheit der Bewohner von Katalonien wünscht sich laut Umfragen ein legales Referendum, ist aber hinsichtlich einer Unabhängigkeit der Region gespalten.

Nach den Worten des katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont werden sich am Sonntag Millionen Wähler in einem "demokratischen Tsunami" an dem Referendum beteiligen. In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstagausgabe) äußerte er die Zuversicht, dass sich die EU nach einer Zustimmung "pragmatisch" der neuen Lage anpassen werde. Puigdemont erklärte seine Bereitschaft, sofort nach der Abstimmung mit Madrid in einen Dialog zu treten.