"Der Zeitpunkt für eine neue Geschichte ist gekommen": Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro hat die Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung zum Sieg für das Regierungslager erklärt. Die Opposition rief nach dem von heftigen Protesten mit mindestens zehn Toten überschatteten Urnengang zu landesweiten Demonstrationen auf. International wurde die Abstimmung scharf kritisiert.

"Wir haben eine Verfassungsgebende Versammlung", verkündete Maduro in der Nacht zum Montag (Ortszeit) in Caracas. Es sei das "größte Votum für die Revolution", sagte der Staatschef vor Hunderten jubelnden Anhängern. Nun müsse die "Ordnung" wieder hergestellt und den Abgeordneten des von der Opposition beherrschten Parlaments ihre Immunität entzogen werden.

Nach offiziellen Angaben beteiligten sich 41,5 Prozent der Venezolaner an der Wahl der Versammlung, die das Parlament ersetzen und eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Die Chefin der Nationalen Wahlkommission, Tibisay Lucena, sprach von einer "außergewöhnlichen Wahlbeteiligung". Mehr als acht Millionen Venezolaner hätten ihre Stimme abgegeben, sagte die Maduro-Verbündete.

Opposition spricht von Betrug

Die Opposition, die angesichts der schweren Wirtschaftskrise in dem ölreichen südamerikanischen Land seit Monaten Sturm gegen den sozialistischen Staatschef läuft, verurteilte den Urnengang scharf. "Wir erkennen diesen betrügerischen Prozess nicht an, für uns ist er nichtig, er existiert nicht", erklärte Oppositionsführer Henrique Capriles.

Er rief trotz des von der Regierung verhängten Demonstrationsverbotes zu landesweiten Protesten für Montagmittag (18.00 Uhr MESZ) und zu einem Massenprotest in der Hauptstadt Caracas am Mittwoch auf. An diesem Tag soll die Versammlung erstmals zusammentreten.

International wurde das Votum heftig kritisiert. Die UNO-Botschafterin der USA, Nikki Haley, sprach von einem "Schritt in Richtung Diktatur". Washington drohte zudem mit weiteren Sanktionen. Auch Mexiko, Kolumbien, Panama, Argentinien, Costa Rica, und Peru wollen das Ergebnis nicht anerkennen.

Die Europäische Union zeigte sich ebenfalls besorgt über die Entwicklungen. Ein Kommissionssprecher erklärte am Montag, die Regierung trage die Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze und der Grundrechte, ebenso wie für die Meinungsfreiheit und das Recht auf friedliche Demonstrationen. Die Pläne zur Schaffung einer neuen Verfassung seien nicht Teil der Lösung. Sie hätten zu wachsender Spannungen und Spaltungen geführt und könnten die demokratisch gewählten Institutionen Venezuelas delegitimieren.

EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sprach von einem "traurigen Tag für die Demokratie in Venezuela". Der italienische EVP-Politiker kritisierte, dass internationale Verträge verletzt würden, und das gegen den Willen der Bevölkerung. Die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung sei "betrügerisch" und "illegitim" gewesen. "Wir werden das nicht anerkennen."

Die deutsche Regierung kritisierte, dass die Wahl der Verfassungsversammlung "trotz großen Widerstands der eigenen Gesellschaft" abgehalten wurde. Dieser Schritt habe das Land "weiter gespalten", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Wahl habe gegen "demokratische Grundprinzipien" verstoßen und sei "nicht geeignet", Venezuela aus der wirtschaftlichen und sozialen Krise zu führen.

Mindestens zehn Tote

Am Wahltag kamen nach Angaben der Staatsanwaltschaft mindestens zehn Menschen ums Leben. Im Teilstaat Tachira wurden zwei Jugendliche im Alter von 13 und 17 Jahren tödlich von Kugeln getroffen. In demselben Staat an der Grenze zu Kolumbien war kurz zuvor ein Soldat während einer Demonstration getötet worden. Weitere Tote gab es in anderen Landesteilen. Auch einer der Kandidaten für das Verfassungsgremium, Jose Felix Pineda, wurde getötet.

Die Kriterien für die Zulassung zur Wahl wurden von Maduro aufgestellt. Insgesamt hatten sich etwa 50.000 Menschen um einen Sitz in der Verfassunggebenden Versammlung beworben, etwa 6.100 Kandidaturen wurden für gültig erklärt - darunter die von Maduros Ehefrau Cilia Flores und der rechten Hand des Staatschefs, Diosdado Cabello.

Laut Maduro soll die neue Verfassung dazu beitragen, die schwere Krise, die im Land zu dramatischen Versorgungsengpässen geführt hat, beizulegen. Die Opposition wirft Maduro vor, er wolle sich durch die Verfassungsgebende Versammlung "diktatorische Vollmachten" sichern.

Maduro will Macht nicht abgeben

Maduros ehemalige Außenministerin Delcy Rodriguez, die ebenfalls für die Versammlung kandidierte und dort künftig eine wichtige Rolle spielen könnte, trat diesem Eindruck am Montag entgegen. Das Ziel des Gremiums sei es nicht, die Opposition zu "vernichten", sagte Rodriguez. Ein Dialog sei der "einzige Weg". Gleichwohl würden die regierenden Sozialisten - die politischen Erben des 2013 gestorbenen langjährigen Präsidenten Hugo Chavez - nicht in Betracht ziehen, die Macht aufzugeben.