Explosionen, Schüsse, bürgerkriegsähnliche Szenen: Die umstrittene Wahl von 545 Mitgliedern einer Verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela ist von zahlreichen Todesfällen überschattet worden. Die Opposition boykottierte die Wahl. Zahlreiche Staaten kündigten an, die Wahl nicht anzuerkennen. Präsident Maduro spricht von einem großen Erfolg des Wahltags, laut Behörde haben 41,5 Prozent der Venezolaner abgestimmt (8,1 Millionen).
Kritiker sprechen von dem Versuch des Präsidenten, die Verfassungsversammlung auszuhebeln. Die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley nannte am Sonntag in New York die Wahl "einen Schritt in Richtung Diktatur". Die US-Regierung werde das Ergebnis nicht anerkennen, kündigte sie an.
Möglicherweise bereits am Montag sollten weitere Sanktionen gegen Venezuela verkündet werden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters aus Regierungskreisen in Washington. Zwar sollten nicht die Öllieferungen Venezuelas in die USA verboten werden, hieß es. Möglich sei aber, dass der Verkauf leichteren Rohöls aus den USA nach Venezuela gestoppt werde. Venezuela mischt dieses mit eigenem schwerem Rohöl für den Export. Auch weitere hochrangige Regierungsvertreter könnten mit Sanktionen belegt werden, hieß es weiter. Entscheidungen seien aber noch nicht getroffen.
Geringe Beteiligung
Die Beteiligung an der Abstimmung über eine Verfassungsversammlung war nach Berichten von Augenzeugen unterdessen nur gering. Viele Wahllokale blieben weitgehend leer. Die Opposition hat zum Boykott der Abstimmung aufgerufen. Dennoch verlängerte die Regierung von Präsident Nicolas Maduro die Öffnungszeiten um eine Stunde. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei starben am Sonntag mindestens sieben Menschen. Die Opposition sprach von mehr als einem Dutzend Todesopfern.
Maduro will sich und seiner Sozialistischen Partei mit der Einrichtung einer Verfassungsversammlung ein Instrument in die Hand geben, um die Macht im Staat zu sichern. Das Gremium kann alle anderen staatlichen Institutionen auflösen. Sie soll nach Maduros Darstellung den "bewaffneten Aufstand" beenden und das Land befrieden. Die Opposition fürchtet dagegen eine kaum noch kontrollierbare Machtfülle für Maduro und seine Partei. Bei Protestaktionen in den vergangenen vier Monaten kamen mehr als 115 Menschen ums Leben.
Maduro international isoliert
Staatspräsident Nicolás Maduro steht seit Wochen unter massivem Druck. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt steht am Rande des Ruins, Menschen hungern, es fehlt an Lebensmitteln und Medikamenten. Er gibt dem gefallenen Ölpreis die Schuld. Um seine Stellung zu festigen - bei den Unruhen starben seit April mindestens 121 Menschen - hatte er eine Verfassungsreform vorgeschlagen; obwohl die bisherige von seinem Mentor und Vorgänger Hugo Chávez stammt. Es gehe um eine "ruhige Zukunft", um Frieden für Venezuela, so Maduro.
5.500 Kandidaten bewarben sich - die Opposition boykottierte die Wahl, nach ihren Angaben könnte die Wahlbeteiligung nur bei rund zehn Prozent gelegen haben. Die Zusammensetzung mit vielen Vertretern aus Sektoren, die den Sozialisten nahestehen, nahm das Ergebnis für viele Beobachter schon vor der Bekanntgabe vorweg. Hier werden die seit 1999 regierenden Sozialisten freie Hand haben. Mitte der Woche soll die Versammlung ihre Arbeit aufnehmen - und zwar im Gebäude des Parlaments, in dem die Opposition seit Anfang 2016 die Mehrheit hat. Es gibt Hinweise, dass diese Verfassungsversammlung das Parlament ganz ersetzen könnte.
Dann wäre die Gewaltenteilung de facto aufgehoben und die Sozialisten hätten wieder die alleinige Macht. Trotz eines Demonstrationsverbots rief das aus rund 20 Parteien bestehende Bündnis "Mesa de la Unidad Democrática" zu neuen Protesten gegen Maduro auf: "Gegen Diktatur und Verfassungsbetrug", lautete das Motto. Aber wegen der massiven Polizeipräsenz gab es kaum Zulauf. Zudem drohten bis zu zehn Jahre Haft für Leute, die demonstrieren. Oppositionsführer Henrique Capriles sagte nach der Wahl: "Dies ist ein schwarzer Tag, verursacht von den kranken Ambitionen einer einzigen Person". Die Wähler seien massenhaft zu Hause geblieben, die Repression zeige die Verzweiflung.