Der italienische Vize-Außenminister Benedetto Della Vedova hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban als "neue Helden der nationalistischen Rechten in Italien" bezeichnet. "Wenn sie die Migranten ins Meer werfen wollen, sollen sie es offen sagen", erklärte Della Vedova auf seiner Facebook-Seite.
"Orban und Kurz wissen kaum was von Meer und Häfen, doch sie erteilen Lehren, wen man retten soll und wen nicht, als wären internationales Recht und Konventionen zur Flüchtlingsrettung eine Sache, wo man wählen könnte", so Della Vedova.
"Kurz hat vorgeschlagen, Flüchtlinge auf Lampedusa zu bringen und sie dort zu belassen. Das ist eine riesige politische Absurdität, die auch populistisch und grausam ist. Kurz beschreitet Orbans autoritären Weg. Er vertritt ein Europa, das sich verschließt, ein reaktionäres Europa des Vaterlandes gegen das Europa der Integration", schrieb der Vize-Außenminister.
Anderer Ansicht ist der Präsident der Region Lombardei und Spitzenpolitiker der Lega Nord, Roberto Maroni, der die italienische Regierung zu einer Hafensperre drängt. "Österreich und Frankreich schließen ihre Grenzen. Italien kann nicht nur in Europa um Solidarität bitten, es muss handeln. Die Regierung will die Notstandslage nicht einsehen", kritisierte Maroni.
Kern ermahnt Kurz: Nicht gegen Italien positionieren
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) unterdessen ermahnt, es im Streit mit Italien in der Flüchtlingspolitik nicht zu weit zu treiben: "So geht es einfach nicht. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht gegen Italien positionieren", sagte Kern der "Presse am Sonntag", nachdem er am Samstagfrüh mit dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni telefoniert hatte.
Gentiloni formulierte laut einer Vorausmeldung in dem Telefonat Befremden über die jüngste Forderung von Kurz an Italien, den Fährverkehr für "illegale Migranten" zwischen italienischen Inseln und dem italienischen Festland einzustellen. Kern forderte "mehr Sensibilität mit Italien" - u.a. mit Blick auf die Schutzmachtfunktion Österreichs für Südtirol.
Mit Blick auf den Flüchtlingsstrom über die Balkan-Route vor zwei Jahren sagte der Kanzler: "Stellen wir uns einfach vor, wie es 2015 gewesen wäre, wenn unsere Nachbarstaaten sich in einer ganz ähnlichen Situation gegen uns gestellt hätten. Diese Art von Problemstellung lässt sich nur gemeinsam lösen." Und weiter: "In einer Situation, in der unser Nachbarland die Unterstützung Europas braucht, sich gegen Italien zu stellen, stößt natürlich auf Enttäuschung."
"Thema aus Wahlkampf heraushalten"
Kern sprach sich dafür aus, das Thema künftig aus der Öffentlichkeit und dem Wahlkampf in Österreich herauszuhalten: "Die Außenpolitik Österreichs muss seriös hinter verschlossenen Türen und durch Diplomatie geführt werden - und nicht im Wahlkampf." Zugleich verurteilte Kern überzogene Kritik: Kurz mit einem "Neonazi" in Verbindung zu bringen, wie das der Bürgermeister der Insel Lampedusa, Salvatore Martello, getan hat, sei völlig inakzeptabel, sagte der SPÖ-Chef der "Presse am Sonntag".
Im Allgemeinen zum außenpolitischen Kurs Österreichs mahnte Kern: "Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns außenpolitisch nicht in einer Gruppe mit Viktor Orban und der Lega Nord wiederfinden." Das habe auch etwas mit Erfahrung zu tun. "Man kann sich nicht immer gegen alle stellen. Da bleibt man allein übrig. Und nur, um einen guten Wahlkampf zu führen, das Ansehen Österreichs zu gefährden, ist ein viel zu hoher Preis."
Im Allgemeinen zum außenpolitischen Kurs Österreichs mahnte Kern: "Wir müssen sehr aufpassen, dass wir uns außenpolitisch nicht in einer Gruppe mit Viktor Orban und der Lega Nord wiederfinden." Das habe auch etwas mit Erfahrung zu tun. "Man kann sich nicht immer gegen alle stellen. Da bleibt man allein übrig. Und nur, um einen guten Wahlkampf zu führen, das Ansehen Österreichs zu gefährden, ist ein viel zu hoher Preis."
Zahlreiche Kommentare in italienischen Zeitungen
Auch italienische Zeitungen befassen sich derzeit intensiv mit den Spannungen zwischen Italien und Österreich in der Flüchtlingsfrage und mit Außenminister Sebastian Kurz. Die wichtigsten Kommentare vom Samstag im Überblick.
"La Repubblica" aus Rom schreibt:
"Sebastian (Kurz): Der Macron der Rechten, der Rom attackiert, um sich Österreich zu holen. Es ist eine Tatsache, dass Kurz heute der beliebteste Politiker in Österreich und einer der umstrittensten, wenn nicht gar gefürchtetsten, in Europa ist. Hinter der wiederholten Drohung, den Brenner zu schließen, steckt er. Und er war es auch, der vorgeschlagen hat, Migranten auf Lampedusa festzuhalten. Der Bürgermeister der sizilianischen Insel hat ihm Nazi-Rhetorik vorgeworfen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass Kurz das stören wird. Denn in Wien heißt es, dass seine dröhnenden Botschaften vor allem an seine Wähler gerichtet sind."
"Corriere della Sera" (Mailand):
"Der ehrgeizige Kurz ist zu allem bereit, um in der Partie um das Wiener Kanzleramt zu gewinnen. (...) Gut hat Premier (Paolo) Gentiloni daran getan, mit vehementen Tönen Kurz' Worte zum Thema Migranten abzulehnen und zu unterstreichen, dass Italien keine 'Lehren' von anderen europäischen Ländern akzeptiert."
"Il Giornale" (Mailand):
"Premier Paolo Gentiloni rügt Kurz, weil die Replik von Außenminister Angelino Alfano zu schwach erschienen ist, was Irritation in der Regierung und in Gentilonis Demokratischer Partei (PD) ausgelöst hat. Die unzulängliche Reaktion Alfanos auf den Wiener Kollegen wird auf die Tatsache zurückgeführt, dass auch Kurz Mitglied der EVP ist."
"La Stampa" (Turin):
"Die Sommer-Polemik mit Österreich und den Visegrad-Staaten bestätigt wieder einmal, dass jene Solidarität, um die Italien bei den anderen EU-Ländern bittet, nicht vorhanden ist und dass kurzfristig nicht damit zu rechnen ist. Das ist auch der Sinn der scharfen Replik von Premier Gentiloni auf die 'Lehren' der Nachbarländer."