Prorussische Rebellen wollen die Ukraine durch einen Staat namens "Kleinrussland" ersetzen. Die Führung der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" in der Ost-Ukraine legte am Dienstag einen Verfassungsentwurf vor und kündigte ein Referendum an. Die ukrainische Regierung verurteilte den Vorstoß, auch Russland reagierte überrascht. Die Ankündigung dürfte eine Belebung des festgefahrenen Friedensprozesses weiter erschweren.

Die Vertreter der selbsternannten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk hätten "der Gründung eines neuen Staates als Nachfolger der Ukraine" zugestimmt, sagte der Donezker Rebellenchef Alexander Sachartschenko. Der neue Staat solle "Malorossia" (Kleinrussland) heißen, in Anlehnung an einen Begriff aus der Zarenzeit zur Bezeichnung des ukrainischen Gebietes.

Donezk werde die neue Hauptstadt von "Malorossia" sein, während die ukrainische Hauptstadt Kiew auf den Status eines "historischen und kulturellen Zentrums" herabgestuft werden solle, sagte Sachartschenko.

Russland, die Schutzmacht der Rebellen in der Ost-Ukraine, reagierte distanziert auf den Vorstoß. Es handle sich um eine "persönliche Initiative" Sachartschenkos, erklärte ein Kreml-Sprecher. "Moskau hat davon aus den Medien erfahren", fügte er hinzu. Der russische Außenpolitiker Leonid Kalaschnikow kritisierte, der Vorschlag widerspreche dem Friedensplan für den Donbass. Die Separatisten müssten vorsichtig sein, sagte er der Agentur Interfax. 

Die Führung der selbsternannten "Volksrepublik Luhansk" widersprach Sachartschenkos Darstellung, wonach der Vorschlag abgestimmt gewesen sei. Er sei nicht konsultiert worden, ließ der Luhansker Rebellenführer Igor Plotnizki mitteilen.

Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin bezeichnete den Vorschlag als "Show", die von den "Kreml-Herren" inszeniert worden sei. "Wir und unsere Partner werden das nicht zulassen", beteuerte er.

Seit dem Frühjahr 2014 kämpfen im Osten der Ukraine prorussische Rebellen gegen ukrainische Regierungssoldaten. Mehr als 10.000 Menschen wurden seither getötet. Gegen das unter Vermittlung von Deutschland und Frankreich 2015 ausgehandelte Friedensabkommen von Minsk wird immer wieder verstoßen.

Der Vorstoß der Rebellen zur Gründung eines neuen Staates zieht das Abkommen weiter in Zweifel. "Diese Ankündigung könnte den Verhandlungsprozess blockieren", sagte Kiews Gesandter Jewgeni Martschuk, der die Zentralregierung in den Gesprächen mit den Rebellen vertritt. Der Kreml-Sprecher bekannte sich am Dienstag aber noch einmal zu dem Abkommen von Minsk.

"Es ist offenkundig, dass die Freischärler mit der einseitigen Ausrufung eines Pseudostaates 'Kleinrussland' im Donbass eine endgültige Absage an die Minsk-Vereinbarung erteilt haben", erklärte die deutsche Grünen-Politikerin Marieluise Beck. Kritik aus Russland an diesem Schritt sei "unglaubwürdig", da die Rebellen "vollständig von der militärischen und finanziellen Unterstützung des Kremls abhängig" seien.

Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland die Unterstützung der Separatisten vor, was Moskau bestreitet. Die USA und die Europäische Union verhängten wegen des Ukraine-Konfliktes Strafmaßnahmen gegen Russland.

Die deutsche Bundesregierung hat die Ausrufung eines Staates "Kleinrussland" durch pro-russische Separatisten in der Ostukraine als "völlig inakzeptabel" verurteilt. Separatistenführer Alexander Sachartschenko habe keinerlei Legitimation, um für diesen Teil der Ukraine zu sprechen, erklärte ein Regierungssprecher am Dienstag."Wir erwarten, dass Russland nun umgehend diesen Schritt ebenfalls verurteilt und dass es ihn weder respektiert noch gar anerkennt", fügte er hinzu. Eine Lösung für den Konflikt könne nur auf dem Verhandlungsweg und durch die Umsetzung des Abkommens von Minsk erreicht warden.